Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Autolärm auf Straßen

Flüsterasphalt ist Fluch und Segen zugleich

Flüsterasphalt gilt als Heilsbringer für lärmgeplagte Anwohner von viel befahrenen Straßen. Er reduziert den Autolärm, hat allerdings große Nachteile, was Langlebigkeit und Stabilität angeht. Das hängt mit der Gesteinsmischung zusammen, die für hier verbaut werden muss.

Flüsterasphalt ist wegen der speziellen Gesteinskörnung, die dafür eingesetzt wird, weniger haltbar als gewöhnlicher Asphalt und deshalb teurer.

dpa/Peter Kneffel)

Stuttgart . Wer auf der Bundesstraße 36 bei Rheinstetten südlich von Karlsruhe unterwegs ist, der fährt über Stellen mit neu eingebrachtem Split. Autofahrer müssen hier besonders vorsichtig sein. Die kleinen Steinchen sollen den Flüsterasphalt flicken, der an mehreren Stellen zerbröselt. Das liegt an der hohen Belastung des Belags durch Autos und schwerere Fahrzeuge. Es hat aber auch mit der Beschaffenheit des Materials zu tun. Ähnliche Berichte gibt es von der Bundesautobahn 8 bei Karlsbad zwischen Karlsruhe und Pforzheim. Flüsterasphalt ist offenbar Fluch und Segen zugleich: für Anwohner reduziert er zwar den von Autos verursachten Lärm spürbar – um etwa fünf bis zehn Dezibel. Das Material hat jedoch ein Langlebigkeitsproblem.

Der offenporige Belag soll den Verkehr leiser machen

„Flüsterasphalt ist keine Variante, die für einen flächendeckenden Einsatz in Frage kommt“, sagt Plamena Plachkova vom Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Der sehr offenporige Belag sei dafür gemacht, den Verkehr leiser zu machen. Mindestens 22 und bis zu 28 Prozent der Asphaltfläche bestehen aus Hohlräumen. Zum Vergleich: herkömmlicher Asphalt hat maximal bis zu sechs Prozent Hohlraumgehalt. „Diese Hohlräume schlucken die Geräusche“, erklärt Plachkova.

Wenn Reifen über die Straße rollen, verdrängen sie die Luft in ihrem Weg, was Lärm erzeugt. Der offenporige Belag des Flüsterasphalts sorgt dagegen dafür, dass die Druckwellen vom Material absorbiert werden. Die Hohlräume bewirken auch, dass Regenwasser besser abfließen kann und Sprühfahnen vorausfahrender Autos nicht mehr beeinträchtigen. So reduziert das Material sogar das Risiko für Aquaplaning.

Gesteinskörner können leichter aus dem Belag ausbrechen

Dennoch verhindern die bautechnischen Nachteile den Durchbruch des Flüsterasphalts. Während bei herkömmlichem Asphalt drei unterschiedlich große Steinkörner im Einsatz sind, die dem Belag höhere Stabilität verleihen, hat der Flüsterasphalt gleichgroße Steinkörnchen. diese können leichter und schneller aus dem Belag ausbrechen, beispielsweise, wenn an bestimmten Stellen viel gebremst und angefahren wird. Auf der Bundesstraße 36, die auf diesem Abschnitt besonders viele Ampeln aufweist, ist genau das der Fall.

Der Grund für das Aufbrechen des Belags: Die gleichförmige Steinchenmischung könne sich nicht so gut ineinander verhaken, das „Korngerüst“ sei weniger stabil, so Plachkova. „Hier kommt es sehr auf die Qualität der Steine an.“ Flüsterasphalt ist damit eher auf geraden Strecken geeignet, die in der Regel mit hohem Tempo befahren werden und wo es wenig Stop-and-go-Verkehr gibt.

Aber auch die Kosten fallen ins Gewicht. Experten rechnen mit um das Dreifache höheren Baukosten für das Flüsterasphaltgemenge.

Straßenbauer müssen beim Einbau sehr viel bedenken

Hinzu kommt: Der Einbau von Flüsterbelag ist nur bei einer stabilen Schönwetterlage möglich und bei Lufttemperaturen von mindestens zehn Grad, weil der Asphalt schneller abkühlt und dann nicht mehr weiterverarbeitet werden kann. „Straßenbauer müssen sehr viel bedenken, wenn sie den Belag einbauen, das muss passen wie bei Zahnrädern“, sagt Plachkova.

Im Zuständigkeitsbereich des Landes wurde Flüsterasphalt nur in sehr geringem Umfang eingebaut. Der Sprecher des Verkehrsministeriums, Edgar Neumann, spricht von 3,7 Kilometern auf Landesstraßen und 13,7 Kilometern auf Bundesstraßen, die im Auftrag des Bundes vom Land umgesetzt wurden. Auch beim Ministerium kommen die Verantwortlichen zum Schluss, dass Flüsterasphalt auf innerörtlichen Straßen und an Knotenpunkten „deutliche Nachteile“ hat, da es vermehrt zu Kornausbrüchen auf dem Belag kommen könne.

Dass hier häufiger Schaden entstehe, sei negativ zu beurteilen, stellt Neumann klar. Er verweist stattdessen auf eine Variante, die auf Splittmastixasphalt basiert. Sie verfügt ebenfalls über einen höheren Anteil an Hohlräumen, sei aber doppelt so lang haltbar. Das wiederum hängt mit dem Bindemittel zusammen. Das Verkehrsministerium will dennoch den Einsatz von offenporigem Asphalt aufgrund der Nachteile künftig auf spezielle Streckenabschnitte mit erhöhten Lärmschutzanforderungen beschränken.

Flüsterasphalt nur für Straßen mit stetigem Verkehrsfluss

Eingebaut wird der offenporige Asphalt nach Angaben der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Baden-Württemberg auf Autobahnen und außerorts auf Bundesstraßen. „Auf diesen Straßen ist stetiger Verkehrsfluss gewährleistet“, so Sprecherin Duygu Tiryaki. Ein Nachteil: müsse der Belag ausgetauscht werden, sei meistens die gesamte Fahrbahn zu sperren. Grund ist die Wasserdurchlässigkeit des Belags. Teurer ist der Belag aus Sicht der Ingenieure wegen seiner verkürzten Lebensdauer von zehn Jahren. Hinzukomme, dass Flüsterasphalt in den Mischwerken nicht zur alltäglichen Arbeit zähle.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch