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Stuttgart 21: Die Tage der finalen Entscheidung
Stuttgart. Was ist zu Stuttgart 21 nicht schon alles diskutiert worden. Explodierende Kosten von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf aktuell geschätzt 11,5 Milliarden. Doch das ist gar nicht der größte Zankapfel beim größten Bahn-Investitionsprojekt Deutschlands. Sondern es geht um den digitalen Bahnknoten. Also das ambitionierte Vorhaben, den weltweit ersten Großbahnhof mit digitaler Signaltechnik auszustatten, für Nah- und Fernverkehr.
Der digitale Bahnknoten ist jetzt der große Zankapfel
„Das ist eine ingenieurstechnische Herkulesarbeit“, sagt ganz offen Michael Theurer (FDP), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Der digitale Knoten ist übrigens ein spätes Ergebnis der Schlichtung zu Stuttgart 21 im Jahr 2010/11 unter dem früheren CDU-Politiker Heiner Geißler: Der damalige Bahnvorstand Volker Kefer entgegnete die Sorge der Kritiker, dass acht statt 16 Gleise ausreichen, mit dem Hinweis, der knappe Takt könnte durch digitale Technik entzerrt werden. Unter Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wurde das 2018/19 so beschlossen.
Doch genau das ist jetzt der Knackpunkt. Die Ingenieure bei Firma Thales in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) hinken dem Zeitplan hinterher. Erst 2023 wurde der Öffentlichkeit ein Prototyp eines digitalen Stellwerks vorgestellt. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann sagt : „Ich sehe schon das Risiko, dass zu wenig Zeit bleibt, alles ausreichend zu testen.“
Einen Kommentar zu Stuttgart 21 lesen Sie hier.
Die große Frage ist also: Am Termin Dezember 2025 festhalten? Oder um ein oder gar zwei Jahre verschieben, bis alles reibungslos funktioniert? Auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gibt es darüber Dissens. „Es gibt lebhafte Diskussionen“, sagt ein Kenner der Verhältnisse.
- Ja 41%, 63 Stimmen63 Stimmen 41%63 Stimmen - 41% aller Stimmen
- Nein 39%, 60 Stimmen60 Stimmen 39%60 Stimmen - 39% aller Stimmen
- Mir egal 20%, 30 Stimmen30 Stimmen 20%30 Stimmen - 20% aller Stimmen
CDU: Tiefbahnhof so schnell wie möglich, aber in vollem Umfang
Von Ingenieursseite herrscht wohl großer Ehrgeiz, alles fertig zu bekommen, die Kritiker fürchten einen Imageschaden, wenn es ein Chaos am Eröffnungstag gibt. Aus der Politik ist der Wunsch klar. „Wir wollen, dass der Tiefbahnhof so schnell wie möglich eröffnet wird“, sagt Thomas Dörflinger, der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, „aber mit vollem Leistungsumfang.“
In einer pikanten Lage sind dabei die beiden Grünen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann, beide seit 2011 im Amt. Sie waren immer Gegner des Projekts. „Vieles von dem, was wir damals vermutet haben, stimmt“, sagte Kretschmann kürzlich vor der Landespresse, „aber das Volk hat anders entschieden.“
Nach dem Volksentscheid 2011 kamen sie in die schwierige Lage, das umzusetzen, was sie selbst skeptisch sahen. „All die Verbesserungen danach sind von den ehemaligen Gegnern des Projekt gekommen“, meint der grüne Regierungschef, die „Wendlinger Kurve“ oder die Flughafenanbindung. Der FDP-Landeschef und Staatssekretär Michael Theurer verweist darauf, dass 2020 der Bahn durch eine Eigenkapitalerhöhung eine Milliarde Euro für Digitalisierung zur Verfügung gestellt wurde.
Ein provisorisches Stellwerk oder eine Teileröffnung?
Das Bahnmanagement, so ist aus Aufsichtsratskreisen zu hören, präferiert eine stufenweise Eröffnung 2025 mit erstmal nur zwei Stellwerken. Alternativ kann man mit dem alten Fahrplan für den Kopfbahnhof starten, und sukzessive einzelne Fernzüge digital im Tiefbahnhof einfahren zu lassen. Beides ist riskant – wie häufig bei Stuttgart 21 gibt es keine einfachen Lösungen. Die Entscheidung ist erstmal bis Juni vertagt.