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„Eine dritte Chance gibt es für die Schweiz nicht“
Stuttgart. „Viele schöne Worte“ seien gewechselt worden. Doch in den kommenden Wochen werde sich zeigen, wie ernst es dem Schweizer Bundesrat, der Regierung in Bern, tatsächlich mit einem Verhandlungsabschluss sei. Die Einschätzung von Andreas Schwab, CDU-Europaabgeordneter aus Rottweil, der für das EU-Parlament die Beziehungen zur Schweiz koordiniert, klingt ziemlich nüchtern, wenn man sie mit den Äußerungen anderer Politiker vergleicht.
Kretschmann hofft inständig, dass auch das Schweizer Volk zustimmt
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa ist „sehr froh, dass das jetzt zustande gekommen ist“. Er habe das Thema jahrelang „bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit“ in Brüssel vorgebracht. Er hoffe nun, dass das „Stabilisierungspaket“ bis zum Herbst steht, wenn die Amtszeit der aktuellen EU-Kommission endet. „Ich hoffe allerdings auch, dass das Schweizer Volk dies in einem Referendum bestätigt.“
Das Rahmenabkommen, über das die EU und die Schweiz zuvor sieben Jahre lang verhandelt hatten, war nämlich daran gescheitert, dass die Schweizer Regierung es nicht für mehrheitsfähig hielt. Und auch diesmal muss die Hürde Volksentscheid genommen werden. Die stärkste Partei im Schweizer Parlament, die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei, hat bereits ihren Widerstand angekündigt.
Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis hat deshalb bei der Vorstellung des Schweizer Verhandlungsmandats vor einer Woche in Bern gesagt: „Je mehr wir mit der EU zu unseren Zielen kommen, desto weniger müssen wir innenpolitisch Konsequenzen fürchten.“ Demgegenüber steht die Erwartung der EU, dass alles steht, worauf sich beide Seiten in den Vorgesprächen geeinigt haben. Etwa die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs bei Fragen, die Unionsrecht betreffen, falls sich beide Seiten einmal nicht über die Auslegung des Vertrags einigen können.
Land sieht sich als Brückenbauer zwischen Bern und Brüssel
„Ich rate davon ab, jetzt noch einmal neue Fässer aufzumachen. Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, liegt auf dem Tisch“, sagt auch Florian Hassler (Grüne), Kretschmanns Europastaatssekretär. Er hat seit Scheitern des Rahmenabkommens kein anderes europäischen Land häufiger besucht als den südlichen Nachbarn. Und er war ungezählte Male in Brüssel – „nicht als Botschafter der Schweiz“, sondern als Brückenbauer „auch im wohlverstandenen Eigeninteresse von Baden-Württemberg“.
Dieses Eigeninteresse betont auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Konstanz. Die Grenzregion sei „wirtschaftlich und gesellschaftlich so eng miteinander verflochten, dass man kaum mehr von zwei Volkswirtschaften sprechen mag“, sagte der damalige Hauptgeschäftsführer Claudius Marx im November. Die Schweiz sei nicht der kleine Nachbar im Süden, sondern ein Wirtschaftspartner auf Augenhöhe mit Riesen wie China (siehe auch Grafik).
Bei der IHK setzt man auch auf das neue Abkommen, weil damit die Anmeldefristen für Handwerker halbiert werden sollen. Bislang gilt eine Frist von acht Tagen, die vielfach dazu führt, dass der Auftrag schon weg ist, bevor er an einen deutschen Handwerker geht. Zudem pendeln täglich 64 000 Menschen aus Deutschland in die Schweiz.
„In der Schweiz hat sich nach dem Abbruch der Verhandlungen etwas getan“, sagt Europastaatssekretär Hassler . Auf allen Ebenen hätten die Eidgenossen begriffen, dass sie sich ein erneutes Scheitern nicht leisten könnten – egal ob es um Wirtschaft oder Forschung geht. „Das ist jetzt die zweite Chance, die auf dem Tisch liegt. Eine dritte wird es nicht geben.“ Die EU sei der Schweiz bereits entgegengekommen, etwa bei der Personenfreizügigkeit und dem Lohnschutz. Deshalb ist Hassler optimistisch, dass letztlich auch der Schweizer Volksentscheid im Sinne Baden-Württembergs ausgeht.
Kommentar von Politik-Redakteur Michael Schwarz.
Interview mit Europastaatssekretär Florian Hassler (Grüne): „Alle wissen, was auf dem Spiel steht“