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Grünen-Fraktionschef will Bau von Radschnellwegen beschleunigen
Stuttgart. Bis 2030 soll es in Baden-Württemberg 20 Radschnellwege geben. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch es geht einfach nicht voran. Mit Ausnahme der acht Kilometer langen Verbindung zwischen Stuttgart-Rohr, Böblingen und Sindelfingen, die 2019 eröffnet wurde und bei der die Initiative nicht einmal vom Land ausging, gibt es nur drei Teilstücke, deren längstes 2,4 Kilometer misst: von Böblingen nach Ehningen, von Reichenbach nach Ebersbach und in Mannheim.
Dabei muss ein Radschnellweg laut Definition mindestens fünf Kilometer messen. Doch jetzt soll es schnell gehen. „In den nächsten ein, zwei Jahren soll relativ viel realisiert werden“, versprach Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Donnerstag in einer von seiner Fraktion beantragten Debatte zur Radstrategie des Landes.
Unklar ist, wie die schon seit Jahren diskutierte Schnellstrecke zwischen Stuttgart und Reichenbach an der Fils verlaufen soll. In Esslingen hake es, berichtete der Minister, weil dort immer wieder über neue Trassen diskutiert werde. Wo das Land, also die Regierungspräsidien, zuständig seien, gehe es schneller. 21 Radschnellwege seien derzeit in Planung und im Bau, also sogar einer mehr, als im Koalitionsvertrag steht.
SPD kritisiert „Fokus auf perfekter Umsetzung einiger Großprojekte“
Noch schneller könnte es gehen, wenn man sich bei der Planung nicht an dieselben Regeln halten müsste, die für den Straßenbau gelten. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz könnte sich eine Änderung des Landesstraßengesetzes vorstellen mit dem Ziel, den Bau von Radschnellwegen zu beschleunigen. „Es muss schneller geplant werden, es muss zügiger gebaut werden“, sagte Grüne am Rande der Debatte. Schwarz ist als passionierter Rennradfahrer selbst betroffen. Er würde die Strecke zwischen seinem Wohnort Kirchheim/Teck und seinem Arbeitsort Stuttgart gerne einmal mit 20 Stundenkilometer im Schnitt befahren. Sobald dies möglich ist, würden auch viele Pendler im Neckartal aufs Fahrrad umsteigen.
Nicht allen im Landtag von Baden-Württemberg sind die Radschnellwege ein solches Herzensanliegen wie den Grünen. Schon in der Rede von August Schuler von der mitregierenden CDU kam der Begriff gar nicht vor. Er konzentrierte sich eher auf klassische Themen wie sichere Rad- und Schulwege.
Jan-Peter Röderer (SPD) bemängelte, dass das Land mit zwölf Prozent Radverkehrsanteil noch weit von der Marke entfernt ist, die die Landesregierung sich für 2030 gesetzt hat. Dann soll der Anteil bei 20 Prozent liegen. „Wenn der Fokus auf der perfekten Umsetzung einiger Großprojekte liegt und man Stellen verschiebt, um diese Großprojekte umzusetzen, dann fehlt es eben an anderen Stellen“, sagte Röderer. Der Stellenaufwuchs in den Regierungspräsidien habe zudem mit den gestiegenen Fördermitteln nicht Schritt gehalten. Und es gebe immer noch 500 Kilometer Lücken im Radverkehrsnetz.
Christian Jung (FDP) warf Hermann vor, die Bedeutung des Radverkehrs überzubewerten. Gefordert sei eine Vernetzung aller Verkehrsträger. Das Land investiere zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur. „Das müssen wir ändern, dann können wir auch zusammen ganzheitlich denken und den Radverkehr zusammen fördern – aber nicht ausschließlich.“ Außerdem kritisierte er, dass der Flächenverbrauch ignoriert werde.
8000 Kilometer Radweg, die Hälfte ist gut, der Rest soll besser werden
Miguel Klauß (AfD) stellte den Sinn der Debatte als solcher infrage. Es sei „ein blanker Hohn gegenüber den Bürgern“, wenn das Parlament auf Vorschlag der Grünen zur besten Tageszeit über eine Fahrradstrategie diskutiere, statt sich anderen, drängenderen Themen zuzuwenden, Arbeitsplatzverlust, Pisa-Ergebnisse und explodierende Nebenkosten. Und dann forderte Klauß, der offenbar keinen Parkplatz in der Tiefgarage des Landtags gefunden hatte, 17 feste Parkplätze für die AfD-Fraktion, für jeden Abgeordneten einen. Und 58 Fahrradstellplätze für die 58 Kollegen der Grünen.
Auf solche Bemerkungen ging Hermann nicht ein. Stattdessen bedankte er sich bei den Kollegen der Regierungsfraktionen und der SPD für ihre Unterstützung. Er widersprach der Kritik der SPD, zu wenig für den Personalaufbau zu tun. Im Gegenteil: Er habe in den vergangenen drei Legislaturperiode kontinuierlich die Kapazitäten aufgebaut, „und zwar nicht nur für Radverkehr, sondern insgesamt“.
Er widersprach auch der Bemerkung von Christian Jung (FDP), beim Radwegeausbau spiele für die Grünen der Flächenverbrauch keine Rolle. Man achte sehr wohl darauf, vorhandene Flächen zu nutzen, zum Beispiel Wirtschaftswege. Doch „dann kommt der Radclub und sagt: ,Da ist aber ab und zu Dreck darauf. Da kann man doch nicht schnell fahren.‘ Es gibt also für alles Einwände.“
8000 Kilometer Radweg gebe es im Land, die Hälfte davon „auf gutem Standard, und die andere Hälfte wollen wir noch besser machen“. Und fast alle touristischen Radwege im Land seien mit Qualitätssiegeln ausgezeichnet. Das Potenzial sei längst nicht ausgereizt und biete gerade dem ländlichen Raum enorme Chancen.