Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Geplante Bezahlkarte erntet Lob und Kritik
Offenburg. Die Bundesländer möchten die Bezahlkarte für Geflüchtete einführen, 14 von ihnen, darunter Baden-Württemberg, arbeiten an der Einführung. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern suchen eigene Lösungen. Mit der Karte sollen Menschen über ihr Geld verfügen können, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, so das Landesmigrationsministerium. Wie genau die Karte ausgestaltet wird, werde noch verhandelt.
Karte nur für bestimmte Flüchtlinge
Im Ortenaukreis gibt es die Bezahlkarte, aber nur für bestimmte Geflüchtete. Wer kein eigenes Konto hat, erhält vom Landkreis seit diesem Februar eine Visa-Karte, die wie eine Bankkarte die Zahlungen an der Supermarktkasse ermöglicht und die keinen Hinweis auf die Flüchtlingsstatus ihres Besitzers gibt. Die Karte löst den Barcode auf einem Papier ab, über den Geld in Ladengeschäften ausgezahlt wurde, sagt Alexandra Roth, Dezernentin für Infrastrukturen, Baurecht und Migration beim Landkreis.
Einzelhändler wollen nicht mehr auszahlen
Immer weniger Einzelhändler wollten die Auszahlung übernehmen. Sie mussten größere Mengen an Bargeld vorhalten sowie das Sicherheitsrisiko übernehmen. Deshalb scheute sich auch der Kreis, selbst Bargeld auszugeben. Daher hat die Behörde auf die Debit-Karte umgestellt. Mit dem IBAN-Nummern-System können von einem Konto des Landratsamtes die zustehenden Beträge ausgezahlt werden. Die Zahlungen werden den jeweiligen Berechtigten zugeordnet und abgerechnet.
Ausgabe an einem verglasten Schalter
„Die Karte vereinfacht für uns die Auszahlung an Flüchtlinge, die kein Konto haben“, betont Dezernentin Roth. In den ersten Wochen seit der Einführung hat das Amt rund 145 Karten ausgegeben, am Ende sollen es um die 400 Karten sein. Ausgegeben werden die Karten in einem Nebengebäude des Landratsamts. Davor versammeln sich meist junge Männer, die ein Sicherheitsmitarbeiter nach und nach hineinlässt. Im Foyer geben zwei Mitarbeiter aus einem verglasten Schalter heraus den Brief mit der Karte. Die Geflüchteten quittieren den Erhalt, es gibt eine kurze Erklärung und schon kommt der nächste dran.
Mehr Sicherheit für Geflüchtete
Hüsseyin Tosun kann gut deutsch und übersetzt für andere Asylsuchende am Schalter. Der aus der Türkei geflohene Kurde hat ebenfalls eine Karte bekommen und ist damit sehr zufrieden. In der Unterkunft sei die Karte eine sichere Lösung, ganz im Gegensatz zu Scheinen und Münzen. „Mit den Barcodes früher hatte ich Probleme, um an das Geld zu kommen“, sagt er. Die Karte nutzen er und andere in der Unterkunft für die bargeldlose Bezahlung.
Mit der Offenburger Karte sind Überweisungen unmöglich
Allerdings ist auch die Offenburger Karte in ihren Funktionen eingeschränkt. Überweisungen sind damit nicht möglich, was den Transfer staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer unterbinden soll. Das deckt sich mit der Motivlage des Landes. Ziel sei, „Fehlanreize für die Einreise nach Deutschland abzubauen“, etwa durch die Verfügbarkeit hoher Bargeldbeträge, heißt es aus dem Ministerium. Statistiken hat das Ministerium hierzu aber nicht. Außerdem soll es eine räumliche Begrenzung der Nutzung geben. Das fehlt der Offenburger Karte. „Wir wollten hier nicht vorpreschen“, sagt Dezernentin Roth, „Wir würden aber die Vorgaben des Landes für eine neue Karte übernehmen.“ Dazu rät auch der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos). Ob alle Kreise das machen, dazu sei das Ministerium mit Kommunalvertretern im Gespräch.
Landkreistag rät zur Übernahme der Landeslösung
Der Landkreistag begrüßt die Planungen zur Karteneinführung und rät zur einheitlichen Übernahme. „Da die Bezahlkarte direkt bei der Aufnahme der Schutzsuchenden ausgegeben werden kann und keinen Vorlauf benötigt, ist eine Verwaltungserleichterung zu erwarten“, sagt Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski. Flüchtlinge hätten die Thüringer Landkreise Greiz und Eichsfeld nach der Karteneinführung verlassen, was für die regulierende Wirkung spricht. Der Ortenaukreis kann solche Erfahrungen nicht teilen.
Keine Funktion zur Bezahlung von Handy- oder Rechtsanwaltskosten
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg lehnt die Karte ab. Die fehlende Überweisungsfunktion erschwere es Geflüchteten, über ihr Geld zu verfügen, etwa Handyrechnungen oder Anwaltskosten zu begleichen. Örtliche Begrenzungen der Bezahlfunktion schränke die Freizügigkeit quasi durch die Hintertür ein. Länder und Kommunen sollten daher auf die Einführung der Karte verzichten.