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Interview: Uwe Roth

Uwe Roth: „Die DIN Einfache Sprache stärkt die Demokratie“

Seit 2015 beschäftigt sich der Journalist Uwe Roth mit der Leichten und Einfachen Sprache. Er arbeitet an den DIN-Regeln mit und gibt Seminare unter anderem für Mitarbeitende aus der öffentlichen Verwaltung. Unlängst hat er die Übersetzung der Landesverfassung in Leichte Sprache unter die Lupe genommen.

Der Journalist Uwe Roth hat sich auf Leichte und Einfache Sprache spezialisiert.

Privat)
Staatsanzeiger: Herr Roth, Sie beschäftigen sich mit Leichter Sprache. Was ist das überhaupt?

Uwe Roth: Leichte Sprache wurde speziell für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt, also Menschen mit geistiger Behinderung. Sie hat ihren Ursprung in den USA und wird auch bei Menschen mit Demenz angewandt oder nach einem Schlaganfall. Genauso kann sie für Menschen zum Einsatz kommen, die gerade in Deutschland angekommen sind und Deutsch lernen müssen.

Und was ist die Einfache Sprache?

Die Einfache Sprache hat sich zu einer eigenen Sprachform entwickelt. Sie ist dazu da, um Texte leicht lesen und verstehen zu können. Sie ist für alle Menschen gedacht, die sich schnell informieren wollen. Und sie ist eine Reaktion darauf, dass die Menschen weltweit immer weniger lesen. Die muss man aber trotzdem erreichen und das geht am besten mit Einfacher Sprache.

Was hat es mit den DIN-Regeln auf sich?

Für mich ist diese neue DIN ISO Einfache Sprache/Plain Language herausragend. Das ist eine internationale Norm, die unsere Sprache um zwei Dimensionen erweitert. Man muss nicht mehr allein auf Grammatik und Rechtschreibung achten, sondern auch auf Verständlichkeit und Auffindbarkeit einer Information. Zuerst dachte ich, was soll das eigentlich? Aber seit ich mich mit dieser DIN ISO-Norm beschäftige, merke ich, dass das eigentlich eine Revolution ist.

Wieso das?

Ich lese jeden Tag drei Zeitungen und werte den Pressespiegel des Landtags aus. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass die Information, die in der Überschrift steckt, bei langen Texten erst irgendwo im fünften oder sechsten Absatz aufgegriffen wird. Die Leute werden erstmal zugelabert. Man macht also genau das Gegenteil von dem, was die DIN-ISO-Plain Language fordert, nämlich die Menschen zum Lesen zu motivieren und ihre Lese-Erwartungen zu erfüllen. Natürlich sind die Forderungen nicht eine Erfindung des DIN ISO-Rats, aber er hat sie erstmals in eine Norm gepackt. Und diese Norm gilt für alle geschriebenen Weltsprachen. Das Problem ist ein allgemeines.

Und was soll diese Norm bringen?

Diese DIN hat erst dann eine Wirkung, wenn sie zur Vorschrift gemacht wird. Ich nutze für meine Texte mit schwierigem Inhalt nach Möglichkeit die SPO-Regel, also Subjekt Prädikat Objekt. Im englischsprachigen Raum hat diese eine starke Wirkungskraft, bei uns leider nicht. Bei uns kann man das Subjekt irgendwo in den Satz hineinpacken.

Warum brauchen wir mehr Regeln?

Bei uns dominieren Gruppensprachen im fachlichen Bereich, die keine Rücksicht darauf nehmen, ob Inhalte verstanden werden. Für mich stärkt die DIN Einfache Sprache die Demokratie. Meine Behauptung: Wenn wir vor der Pandemie die Einfache Sprache gehabt hätten und sich alle Informationen zu Corona an dieser DIN hätten orientieren müssen, wäre die Kommunikation hier völlig anders gelaufen. Ich habe die Internetseiten vom Sozialministerium damals verfolgt. Das war eine Katastrophe. Die Website bestand aus einem Sammelsurium an Informationen. Die Corona-Regeln waren allein von der Sprache völlig unverständlich.

Sie haben die Übersetzung der Landesverfassung in Leichte Sprache unter die Lupe genommen und kritisiert. Warum?

Das Ergebnis ist ein Unding, komplett unleserlich. Bei der Leichten Sprache läuft das immer so: Man macht die Sätze kürzer, aber dafür braucht man viel mehr Sätze. Die Texte werden unglaublich lang. Menschen mit einer geistigen Behinderung schaffen aber nicht mehr als zwei DIN-A 4-Seiten. Da lügt man sich in die eigene Tasche, wenn man glaubt, man könne schwierige Inhalte in die Leichte Sprache bringen.

Sie haben ChatGPT beauftragt, einen Text zu schreiben, der darlegt, warum Journalismus in Einfacher Sprache wichtig ist. Ist Chat GPT der bessere Journalist?

Das war ein bisschen ironisch gemeint. Bei ChatGPT gibt es dieses unsägliche Clickbaiting nicht, also reißerische Überschriften ohne Inhalt, was viele in den Zeitungsbereich übernommen haben. Die KI beginnt mit der Nachricht ganz oben und gliedert sehr gut. Von daher: Ja, ChatGPT wäre manchmal der bessere Journalist. Und für die Verwaltung oder für Fachsprachen wäre sie nützlich, um verständlich zuschreiben!

Das Gespräch führte Eva Maria Schlosser

DIN-Normen für Leichte und Einfache Sprache

Die DIN ISO 24495 ist eine Art Metarahmen für die anderen DIN-Normen. Herausgeber ist die internationale Organisation für Normung in Genf. Sie setzt fest, was Verständlichkeit bedeutet. Jedes Land, jeder Sprachraum, der sie übernimmt, erstellt eine Ausführungsnorm, wie das konkret aussehen soll.

Die DIN Einfache Sprache 8581-1 legt Satz- und Textregeln für das Deutsche fest. Für die Leichte Sprache wird eine DIN vorbereitet, jedoch nur als Empfehlung. „Das Bundessozialministerium hat sie vor drei Jahren in Auftrag gegeben“, so Uwe Roth. „Um ehrlich zu sein: Die Vorbereitung eiert so vor sich hin.“

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