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Arbeitgeber fordern mehr Präsenz von Beschäftigten
UMKIRCH . „Wir sind gerade dabei, den Schalter umzulegen, um Homeoffice technisch auf sichere, zukunftsfähige Füße zu stellen und dann auch gute Regelungen für die Gestaltung unserer Arbeit zu finden“, sagt Hannes Gerriets, Chef der Firma Gerriets in Umkirch bei Freiburg, einem weltweit tätigen Hersteller von Bühnenvorhängen für Theater, Opernhäuser und andere Veranstaltungsorte. Die rund 180 Beschäftigten waren bis jetzt fast ausschließlich im Betrieb tätig.
„Ich bin kein großer Freund von Homeoffice, weil ich überzeugt bin, dass der informelle Austausch, etwa in der Teeküche, absolut entscheidend ist“, so Gerriets. Sich schnell mal abstimmen, eine kleine Info einholen, sich gegenseitig Impulse geben, voneinander lernen – das gehe per Videokonferenz einfach nicht.
„Bei uns wird der Schwerpunkt immer im Betrieb bleiben“
Auf der anderen Seite will sich der Firmenchef „der Entwicklung auch nicht komplett verschließen“. Für viele junge Stellenbewerber falle man als Arbeitgeber durchs Raster, wenn man gar kein Homeoffice biete. „Bei uns wird der Schwerpunkt aber immer im Betrieb bleiben – und die Leute schätzen auch die persönliche Zusammenarbeit hier“, so der Unternehmer. Bei der konkreten Ausgestaltung der Hybridarbeit sei für ihn das entscheidende Kriterium, dass die Kunden keinen Nachteil haben. „Der Kunde darf zum Beispiel nicht den Eindruck bekommen, wir wären schlechter erreichbar oder Absprachen klappen nicht mehr – das ist für mich ganz klar ein No-Go“, sagt Gerriets.
Das Homeoffice ist umstritten und wird teils hochemotional diskutiert. Denn viele Arbeitnehmer wollen die Flexibilität der Heimarbeit nicht mehr missen. Immer mehr Arbeitgeber drängen dagegen zur Umkehr. Zumindest in großen Unternehmen. Eine Mehrheit der CEOs will zurück zur Präsenzarbeit wie zu Vor-Corona-Zeiten. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Beratungsfirma KPMG unter 1300 Geschäftsführern. Um das zu erreichen, wollen die Arbeitgeber extra Anreize dafür setzen: 87 Prozent geben an, sie würden Mitarbeiter, die ins Büro kommen, mit Beförderungen oder Gehaltserhöhungen belohnen.
Zu denen, die zurückrudern, gehört auch der Softwarekonzern SAP aus Walldorf. „Ab sofort und mit einer Übergangsfrist bis Ende April 2024 setzen wir voraus, dass Mitarbeitende drei Tage pro Woche im Büro oder vor Ort bei Kunden oder Partnern arbeiten“, hat Konzernchef Christian Klein den mehr als 100 000 Beschäftigten weltweit kürzlich in einer E-Mail mitgeteilt. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit im Homeoffice und im Büro fördere „die Produktivität und Innovationskraft als auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter“, erklärte er.
Dabei argumentieren eben auch die Befürworter des Homeoffice mit einer höheren Produktivität: Im Homeoffice müssen sie nicht pendeln, was ihnen mehr Zeit zum Arbeiten lässt. Viele finden, dass sie zu Hause weniger abgelenkt sind, was ihnen hilft, sich besser zu konzentrieren und produktiver zu sein. Außerdem können sie im Homeoffice arbeiten, wann und wo sie wollen, was sie zufriedener und produktiver macht.
Die Skeptiker unter den Arbeitgebern halten dagegen: Homeoffice macht unproduktiver, weil Absprachen erschwert werden, die informelle Vernetzung im Betrieb, der Flurfunk, falle weg. Hinzu kommen technische Probleme, die für Reibungsverluste sorgen. Auf lange Sicht leide auch die Motivation der Beschäftigten und sie würden sich weniger mit dem Unternehmen identifizieren.
Jeder dritte Arbeitgeber geht davon aus, dass die Produktivität steigen würde, wenn alle Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten, wieder vollständig ins Büro zurückkehren würden. Zumindest zeigt das eine Erhebung des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) an der Universität München. Acht Prozent rechnen indes mit einem Rückgang der Produktivität für diesen Fall. Das Gros der Arbeitgeber, 60 Prozent, erwartet allerdings nicht, dass es irgendeinen Unterschied bedeuten würde.
Es gebe Studien, die zeigen, wie bei vollständigem Umstieg ins Homeoffice die Produktivität nachlässt, räumt Ifo-Forscher Jean-Victor Alipour ein. „Besonders gelitten haben dabei jeweils die unerfahrenen Mitarbeiter aufgrund erschwerter Kommunikation und schlechteren Möglichkeiten, von ihren Kollegen zu lernen“, sagt er. Dies stützt die These, dass sich der geringere Austausch unter Kollegen nachteilig auswirkt.
Wesentlich positiver sähen die Daten zur Produktivität des hybriden Arbeitens aus, erläutert der Forscher. Untersuchungen zeigen deutliche Zuwächse bei einer Mischung aus Büro- und Homeoffice-Arbeit.
Hybride Arbeitsmodelle können Nachteile ausbalancieren
Sein Fazit lautet: Hybride Arbeitsmodelle können die Nachteile zumindest ausbalancieren, die reines Homeoffice mit sich bringt. Dazu sei aber gezielte Koordination nötig. Ein Präsenztag im Büro sei nicht hilfreich, wenn man dort dann allein sitze. Kontraproduktiv können auch moderne Großraumbüro-Konzepte wirken, warnt die Studie „Work from Home“ der TU Darmstadt vom Mai 2023. Denn nicht wenige Beschäftigte empfänden die Arbeitsbedingungen im Betrieb als belastenden Stress.