Erfolgreiche Rüge

Gartenbauer stoppt Auftragsvergabe von Wohnbaugesellschaft

Kommunale Wohnbaugesellschaften befinden sich in einem Dilemma. Sie sind am privaten Markt aktiv, gewinnorientiert und doch öffentlicher Auftraggeber. Ein Gartenbaubetrieb hat nun vor dem Oberlandesgericht erfolgreich gegen eine solche Wohnbaugesellschaft geklagt: Sie muss nun ihre Aufträge europaweit ausschreiben.

Der Bau sozialer Wohnungen wird oft von kommunalen Wohnbaugesellschaften durchgeführt.

dpa/ernd von Jutrczenka/dpa | Bernd von Jutrczenka)

Karlsruhe . Die Volkswohnung GmbH, eine vollständig von der Stadt Karlsruhe kontrollierte Gesellschaft, hatte Landschaftsbauarbeiten mit einem Volumen oberhalb der EU-Schwellenwerte direkt an ein Unternehmen vergeben, ohne dies vorher in einem offenen Verfahren auszuschreiben. Vielmehr waren nur von einem sehr begrenzten Kreis von Unternehmen Angebote eingeholt worden.

Nicht aber vom späteren Kläger, der die fehlende Ausschreibung vor der Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe gerügt hatte – allerdings hier noch erfolglos. Daraufhin legte das Unternehmen Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.

GmbH ist an das öffentliche Vergaberecht gebunden

Es ist eine typische Konstruktion in vielen baden-württembergischen Kommunen: einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Kommune wird der Bau von Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten übertragen. Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung agiert sie wie andere Unternehmen am Markt – mit entsprechenden Vorteilen.

Gleichzeitig ist ein solches Unternehmen an das öffentliche Vergaberecht gebunden, auch wenn es in weiteren Geschäftsbereichen wie ein privater Investor mit Gewinnabsicht agiert. Das hat das Oberlandesgericht in Karlsruhe in einem Urteil (Aktenzeichen 15 Verg 5/23) klargestellt.

Der klagende Gartenbaubetrieb war der Ansicht, dass die Volkswohnung das Kriterium der „besonderen Staatsnähe“ erfülle, was die kommunale ‚Tochtergesellschaft zu einem öffentlichen Auftraggeber mache.

Der klagende Betrieb begründet die Staatsnähe mit dem Gesellschaftszweck der Volkswohnung GmbH. Er umfasse die sozialverträgliche Wohnraumbeschaffung, was eine „im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art“ darstelle, heißt es in der Begründung des Antrags. Der soziale Auftrag stehe über der Absicht, Gewinne zu erzielen. Dennoch entstehende Gewinne würden zum Teil anderen städtischen Gesellschaften zugeführt. Gebaut würden neben Wohnungen mit sozialverträglichen Mieten auch Kitas oder Quartierstreffpunkte in Stadtteilen. Deshalb sei das Unternehmen als nichtgewerblich anzusehen.

Die Volkswohnung trat dieser Sichtweise entgegen. Sozialer Wohnungsbau sei kein Hoheitsrecht des Staates. Als Volkswohnung genieße man keine besonderen Privilegien und Marktvorteile. Gewinnorientiertes Handeln sei vielmehr im Gesellschaftsvertrag formuliert. Es bestehe auch keine Pflicht der Kommune, eine mögliche Insolvenz abzuwenden. Und: eine Förderung für Wohnbau mit niedrigeren Mieten stehe allen Unternehmen in gleicher Weise offen. Die Vergabekammer folgte diesen Annahmen vollständig und verwarf die Beschwerde des Unternehmens.

Nicht so das OLG. Die Karlsruher Richter bejahten die besondere Staatsnähe solcher Unternehmen und begründeten dies damit, dass die Stadt Alleingesellschafterin sei, ein Bürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender agiere und sieben von elf Mandaten im Aufsichtsrat von Gemeinderäten der Stadt belegt würden. Mit Blick auf den Gesellschaftszweck sei das Schaffen von Wohnraum für Personen, die auf dem freien Markt Schwierigkeiten hätten, eine Wohnung zu finden, eine Tätigkeit der Daseinsvorsorge.

Nach Ansicht des OLG reicht es aus, wenn diese Daseinsvorsorge einen Teil der Tätigkeit darstellt. Gewinnorientiertes Handeln in anderen Segmenten stehe der Einschätzung nicht entgegen, dass es sich um einen öffentlichen Auftraggeber handle. Richtig sei, dass die Kommune bei einer drohenden Insolvenz nicht einspringen müsse. Es genüge allerdings die Annahme, dass die Kommune dies tun würde, weil sie eine Insolvenz nicht in Kauf nehmen würde. Das Ergebnis ist nunmehr die rechtskräftige Verpflichtung zur vollen Einhaltung der Vergabevorschriften der VOB/A.

Das Urteil ist aus Sicht des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau „wegweisend für ähnliche Projekte im Wohnungsbau“. „Das Urteil ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, faire und transparente Wettbewerbsbedingungen im öffentlich finanzierten Auftragsmarkt sicherzustellen“, sagte Thomas Banzhaf, Präsident des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Rechtsverbindliche und rechtlich nachvollziehbare Ausschreibungsprozesse seien in der Bauwirtschaft unerlässlich für einen fairen Wettbewerb.

Volkswohnung sieht sich nicht als öffentlicher Auftraggeber

Die Volkswohnung GmbH sieht das anders. Sie betonte gegenüber dem Staatsanzeiger, man akzeptiere die Entscheidung, nehme den Gesellschaftszweck „sehr ernst“, verweise aber auf verschiedene vergaberechtliche Entscheidungen, aus denen hervorgehe, dass man mit diesem Gesellschaftszweck nicht als öffentlicher Auftraggeber anzusehen sei.

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