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Die Landesbank erobert neue virtuelle Galaxien
Stuttgart . Ist das Metaverse nur ein Luftschloss? Noch steht der Durchbruch der viel gepriesenen Idee aus. Die Industrie spielt hier ganz vorne mit. Hier sollen digitale Zwillinge von Maschinen und Anlagen schon bald die am häufigsten genutzte Applikation sein. Industriekonzerne wie Siemens bauen ihre Aktivitäten im Industrial Metaverse aus. Für Konzern-Chef Roland Busch wird das industrielle Metaverse „ein Ort sein, an dem wir Innovationen mit der Geschwindigkeit von Software vorantreiben. Es bietet enormes Potenzial für die Umgestaltung unserer Volkswirtschaften und Industrien“.
Auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) lotet die Chancen aus. Seit 2022 beschäftigen sich die Banker in vier Schwerpunkten mit dem Metaverse: einer davon sind Windparks. „Als der größte Windparkfinanzierer Deutschlands wollen wir unsere Kunden besser verstehen, was sie bauen und mit welchen Daten sie arbeiten, damit wir eine präzise Bewertung treffen können, wie wir Vorhaben finanzieren können“, sagt Stephan Paxmann. Als Leiter Digitalisierung und Innovation verantwortet er die Projekte im Konzern.
Miniatur-Modell eines Windparks aus dem 3D-Drucker
In den vergangenen Monaten hat sein Team mithilfe eines 3D-Druckers ein Miniatur-Modell eines Windparks entwickelt. „Der Digitale Zwilling ermöglicht es, unabhängig vom Standort Betriebsparameter des Windparks zu verändern und die Auswirkungen zu analysieren“, sagt Paxmann. „Über Sensoren erhalten wir Echtzeitdaten von dem realen Windrad und den Umweltbedingungen vor Ort“, erklärt er. „Wenn wir dabei selbst verschiedene Szenarien simulieren können, dann sind wir genau da, wo wir hinkommen wollen. Wir bauen weder Fabriken noch Windräder, noch produzieren wir Energie aber wir erhoffen uns so, bessere Entscheidungen für Finanzbedarfe treffen zu können, sagt er.
Den Bankern geht es auch darum, das Risiko ihrer Engagements genauer einschätzen zu können. „Je mehr Informationen ich zu einem Objekt habe, desto besser lässt es sich einschätzen. Und noch besser, wenn ich die Informationen in Echtzeit habe“, sagt Paxmann. Am Ende will der Konzern so kostengünstigere und schnellere Lösungen anbieten.
40 bis 45 Mitarbeiter beschäftigen sich bei der LBBW mittlerweile mit dem Metaverse – aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Es soll auch neue Wege erschließen, die jüngere Generation besser zu erreichen. Auf der Spieleplattform Roblox, wo sich täglich Millionen Menschen weltweit vernetzen und kommunizieren, versucht die Bank, ihnen Finanzwissen nahezubringen. „Wir wollen bei Kindern auf spielerische Weise ein Bewusstsein für finanzielle Zusammenhänge schaffen“, erklärt Paxman. Dabei haben sich die Banker von der Spiele-Welt inspirieren lassen. „Wir haben auf Roblox eine virtuelle Welt kreiert, in der sich Kinder und Jugendliche bewegen. Sie sammeln Münzen ein und müssen Rätsel zu Finanzthemen wie Dispo, Zinsen und Zinseszins lösen.“
Auch um neue Mitarbeiter und Nachwuchskräfte zu gewinnen, setzen die Banker auf das Metaverse. „Die üblichen Wege, Mitarbeiter zu gewinnen, werden immer weniger genutzt – besonders von digital affinen Menschen“, ist Paxmann überzeugt. „Hier können wir das Metaverse nutzen, um Recruiting zu betreiben.“ Etwa für virtuelle Bewerbungsgespräche und um Fachkräfte auf virtuelle Veranstaltungen einzuladen.
Personaler und Bewerber treffen sich virtuell an einem Tisch
Paxmann schwebt vor, dass sich Personaler und Bewerber bald virtuell am Tisch treffen, um Bewerbungsgespräche zu führen. „Das ist der nächste Schritt für das Recruiting.“ Aber er will realistisch bleiben. „Wir werden nicht unser gesamtes Recruiting in das Metaverse verlegen. Es ist ein ergänzender Kanal, über den wir besondere Zielgruppen erreichen, die wir immer weniger auf klassischen Kanälen erreichen.“
Das vierte Einsatzfeld zielt auf die Weiterbildung. So will die LBBW das Metaverse für Trainings nutzen, etwa um die eigenen Mitarbeiter für die Geldwäsche zu sensibilisieren. Die könnten sich nach Paxmanns Vorstellungen dazu in einer virtuellen Filiale treffen. Dort reicht ein Kunde einen Koffer mit 100 000 Euro über den Schalter. Und der Mitarbeiter muss dann aufzeigen, wie er mit der Situation umgeht.
Für die rund 10 000 Mitarbeiter an über hundert Standorten im LBBW-Konzern dürfte die neue Welt bald auch das Miteinander verändern. „Wir schauen, wie wir virtuelle Meetings optimieren können. Die laufen bislang nur zweidimensional über Videokonferenzen“, erklärt Paxmann. Künftig sollen sie sich in virtuellen Räumen verabreden. Mitarbeiter in Stuttgart werden dann virtuell mit ihren Kollegen in New York an einem Tisch sitzen. „Sie können dann während eines Meetings aufstehen, sich neben mich stellen und Sie können eine zusätzliche Excel-Liste aufsetzen“, sagt Paxmann. „Wir werden in diesem Jahr dafür eine Lösung haben.“