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Der Wohlfühlfaktor wird immer wichtiger
Stuttgart. Seit Corona ist das Homeoffice zur Konkurrenz des Büroarbeitsplatzes geworden. Denn ein entscheidender Vorteil ist: Je nach Arbeit kann man im Homeoffice vom Schreibtisch an den – größeren – Küchentisch wechseln oder sich zum Aktenstudium auch mal auf die Terrasse setzen.
Im Büro lassen sich die Arbeitsabläufe meist weniger flexibel und bedürfnisorientiert gestalten. Doch für die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden ist der „Wohlfühlfaktor“ am Arbeitsplatz wichtig: Viele Untersuchungen haben bestätigt, dass das Homeoffice punktet, weil die Mitarbeitenden dort „mehr bei sich“ sind, konzentrierter und effizienter arbeiten können.
Ziel sollte sein, ein möglichst gutes Arbeitsumfeld zu schaffen
„Räume machen etwas mit Menschen. Ein gut strukturierter und konzipierter Büroraum beeinflusst unsere Arbeitsweise“, sagt Dennis Stolze, Leiter des Teams Cognitive Environment beim Fraunhofer Institut für Arbeitsgestaltung und Organisation (IAO) in Stuttgart. Ziel sollte sein, „der einzelnen Person ein möglichst gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, das sich dann individuell anpassen lässt. Auch für Bewerber ist der Arbeitsbereich wesentlich“.
Das Fraunhofer-IAO hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie Arbeitsumgebungen gestaltet sein sollten, damit Mitarbeiter wieder gerne ins Büro kommen. In einem weiteren Schritt ging es auch darum, wie kognitive Arbeitsumgebungen („cognitive environment“) die Leistung, das Wohlbefinden und die Klimaeffizienz steigern können.
„Nutzt man gezielt Erkenntnisse aus der Umwelt- und Raumpsychologie sowie aus den Arbeitswissenschaften, lässt sich ein Arbeitsumfeld schaffen, das sich hochindividuell an die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer anpasst“, sagt Stolze. Die Raumgestaltung helfe ihnen, „besser zu arbeiten, sich wohler zu fühlen oder sich gezielter auszutauschen“.
Dazu brauche es unter anderem auch Gebäude, „die lernen und verstehen, was jedes Individuum in unterschiedlichen Arbeitssituationen braucht, und sich dann passgenau darauf einzustellen“. Untersucht wurde, welche Erkenntnisse zur smarten Raumgestaltung und Auswirkungen auf Leistung und Wohlbefinden vorliegen und welche Faktoren Mitarbeitende von solch einer zukünftigen „kognitiven Umgebung“ erwarten, etwa im Hinblick auf konzentriertes Arbeiten, die Temperatur am Arbeitsplatz, Beleuchtung, Ausblick in die Natur, Ergonomie und Gesundheit am Arbeitsplatz und Raumdüfte.
„Temperatur und Arbeitsaktivität stehen in Zusammenhang“, so Stolze. „Für analytische Tätigkeiten bevorzugen viele kühlere Raumtemperaturen, für kreative Aufgaben wärmere.“ Da sich die Sensortechnik enorm entwickelt habe und auch sehr viel günstiger geworden sei, ließe sich diese für die Raumsteuerung nutzen. „Das Ziel ist aber nicht ein „Smart Building“, es sollen vielmehr Arbeitsmöglichkeiten entwickelt werden, die auf die Arbeitssituation und Person abgestimmt sind“, so Stolze.
Das Büro müsse attraktiver, vielfältiger werden und mehr Aufgaben erfüllen – ähnlich wie zu Hause, wo man nutze, was man zur Verfügung habe, was zur Aufgabe passe und wozu man gerade Lust habe. „Ein zentraler Faktor ist hier das Desksharing“, so Stolze, „man muss nicht alles für jeden vorhalten, aber es braucht unterschiedliche Räume mit unterschiedlichen Funktionen, die man sich gemeinsam teilt.“
Die Offenheit für einen solchen Wandel ist da, wie die Studie belegt. Die Befragten zeigten ein großes Interesse und eine hohe Bereitschaft, sich mit den Funktionen eines „Cognitive Environments“ auseinanderzusetzen und diese zu nutzen. Die Zuweisung eines geeigneten Besprechungsraums auf der Grundlage des Besprechungsziels ist eine Funktion, die von den Befragten sehr geschätzt wird. Auch die Funktion, mit einem einfachen Sprachbefehl alle eingehende Kommunikation zu blockieren sowie die Möglichkeit, die Raumatmosphäre an das Meeting anzupassen, stehen hoch im Kurs. Insgesamt zeigen die Ergebnisse: Im Bürogebäude der Zukunft ist der „one size fits all“-Ansatz passé.
Flexibilisierung des Büros bekommt einen weiteren Schub
„Das Büro der Zukunft ist deutlich vielfältiger, an Kooperation und unterschiedliche Arbeitsmodi angepasst“, sagt Stolze. Multi-Space- oder Open-Space-Lösungen mit kleinen Räumen für den Rückzug, offenen Arbeitsbereichen oder Kommunikationsbereichen sind Mittel der Wahl.
„Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist heute schon gängig, die Flexibilisierung des Büros bekommt auch durch die Digitalisierung einen weiteren Schub“, sagt Stolze. „Die Zukunft des Büros der Zukunft hat tatsächlich schon begonnen“, sagt der Teamleiter.