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Dettingen: Welche Vorteile hat das Stadtrecht?
Dettingen an der Erms . Wer im Mittelalter das Stadtrecht verliehen bekam, der konnte sich als Ort etwas darauf einbilden: Stadtmauern, Türme, Tore, ein täglicher Markthandel mit Kaufleuten und Handwerkern, eine größere persönliche Freiheit der Bürger oder das Recht auf Grundbesitz waren die Kernelemente. Das herrschende Adelsgeschlecht, der Fürst oder sogar der Kaiser waren dafür zuständig, das Stadtrecht zu verleihen. Von diesem Glanz ist heute nicht mehr viel übrig, wenn eine Gemeinde, die als kleinste demokratische Einheit des Staatswesens gilt, zur Stadt werden will.
Das ist quasi die nächstgrößere Einheit, gefolgt von der Großen Kreisstadt und den Stadtkreisen. In Dettingen an der Erms (Kreis Reutlingen) überlegen die Verantwortlichen, das Stadtrecht zu beantragen (siehe Kasten).
Große Kreisstädte haben mehr Entscheidungsbefugnisse
Das einzig objektive überprüfbare Kriterium hätte Dettingen gerade so erreicht: Die Marke von 10 000 Einwohnern ist seit einigen Monaten dauerhaft überschritten worden. Ende des Jahres wurden 9 977 Einwohner gezählt, Stand Ende März dieses Jahres sind es 10 035 Personen, die in Dettingen gemeldet sind. Andere Kriterien, die das Innenministerium aufstellt, sind eher subjektiver Art. So muss der Hauptteil der mindestens 10 000 Einwohner auf ein im Wesentlichen geschlossenes Siedlungsgebiet entfallen.
Um städtisch geprägt zu sein, braucht es genügend Straßen, Gehwege, Parkplätze, Grünanlagen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen sowie Möglichkeiten für Kultur, Sport, Bildung und Freizeit. Auch die ärztliche Versorgung muss angemessen sein, das gilt auch fürs Einkaufen. Zumindest ein Teil der Gemeinde muss als Zentrum erkennbar sein und gleichzeitig als Anziehungspunkt für die umliegenden Gemeinden dienen, beispielsweise mit Blick auf die Schulen oder das Einkaufen.
Dettingen sieht sich selbst als „starker Wirtschaftsstandort mit sehr guter Infrastruktur“, heißt es in einer Informationsvorlage für die Gemeinderäte. In dieser Hinsicht sei der Stadt-Antrag „zumindest gut begründbar“. Entschieden haben die Mandatsträger darüber noch nicht. „Sollte ein Interesse an der Verleihung des Stadtrechts bestehen, wären die Erfolgsaussichten eines Antrags näher zu prüfen“, betont die Verwaltung. Und sie stellt gleichzeitig klar: „Einen besonderen Mehrwert bringt das Stadtrecht außer der reinen Bezeichnung der Kommune als Stadt jedoch nicht mit sich“.
Das wäre erst ab 20 000 Einwohnern der Fall. Große Kreisstädte haben mehr Entscheidungsbefugnisse, zum Beispiel in Sachen Verkehr, Bau- oder Umweltrecht. Ein weiterer Vorteil sind höhere Zuweisungen beim Finanzausgleich des Landes. Sie werden jedoch auf Grundlage der exakten Bevölkerungszahl berechnet, der Titel „Stadt“ würde dabei keine Rolle spielen. Das gilt auch für andere Schlüsselzuweisungen durch das Land oder den Bund, die von der genauen Größe der Gemeinde abhängt, nicht aber von der Frage, ob ein Ort Gemeinde, Stadt, Große Kreisstadt oder Stadtkreis ist.
Der Bürgermeister würde eine höhere Besoldung erhalten
Umgekehrt müssen Kommunen, die sich über eine wachsende Bevölkerungszahl freuen, an anderer Stelle die Infrastruktur mitwachsen lassen: etwa bei Kitas oder Schulen. Das Stadtrecht bringt auch in dieser Hinsicht keinerlei Vorteile.
Änderungen gibt es beim Durchbrechen der 10 000er-Marke bei der Bevölkerungszahl häufig bei verschiedenen Dienstleistern, auf die die Kommunen zurückgreifen. Für Fachverfahren und Softwarelösungen, muss dann oft mehr bezahlt werden. Vorausgesetzt, dass die Dettinger Einwohnerzahl auch weiterhin über dieser Schallmauer bleibt, ergeben sich neben der Möglichkeit, das Stadtrecht zu erlangen, noch weitere kommunalrechtliche Möglichkeiten und Effekte.
So könnte etwa die Zahl der Gemeinderäte in die nächsthöhere Kategorie von 18 auf 22 Mitglieder steigen. Das wäre allerdings erst für die Kommunalwahl im Jahr 2029 zu überlegen, weil für den Urnengang im kommenden Jahr die Einwohnerzahl Ende September 2022 maßgeblich ist. Zudem gebe es als Stadt die Möglichkeit, einen Beigeordneten zu bestellen und der Bürgermeister würde eine höhere Besoldung erhalten. Letzteres ist sogar ein Automatismus, der gesetzlich vorgegeben ist.
Innenminister ernennt Oberderdingen zur Stadt
Die Gemeinde Dettingen an der Erms (Kreis Reutlingen) wäre die 316. Kommune in Baden-Württemberg, die den offiziellen Titel Stadt verliehen bekommt. In dieser Legislaturperiode ist im März 2022 bisher nur eine einzige Kommune zur Stadt ernannt worden. Es handelt sich um Tamm (12 600 Einwohner) im Kreis Ludwigsburg. Am 1. November wird Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Ort Oberderdingen mit rund 11 000 Einwohnern das Stadtrecht verleihen. Insgesamt ist Baden-Württemberg ein Bundesland der kleinen und mittleren Gemeinden. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt nach Angaben des Statistischen Landesamts in Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern.