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Wie Gesetze besser und einfacher werden können
Stuttgart. Der Saal im Justizministerium ist gut gefüllt, das Interesse ist groß. „Aktueller könnte das Thema nicht sein“, sagt Rafael Binkowski, Chefredakteur des Staatsanzeigers und Moderator des Abends, „Bürokratieabbau ist in aller Munde.“ Und so greift auch die Justizministerin Marion Gentges (CDU) den Faden auf: „Wir müssen den Mut haben, Ermessensspielräume zu ermöglichen.“
Dazu gehöre auch, Toleranz für Fehler zu lassen, und in Kauf zu nehmen, dass Entscheidungen vor Ort unterschiedlich ausfallen können. „Wir sollten die Krise dazu als Chance setzen“, so die CDU-Politikerin. Dazu passt das im Kohlhammer-Verlag erschienene Buch „Gute Rechtssetzung“. Es wurde von Gisela Meister-Scheufelen, frühere Ministerialdirektorin und Behördenchefin, und Volker Haug herausgegeben, der Professor für öffentliches Recht in Ludwigsburg ist.
Meister-Scheufelen fordert mehr Qualität von Gesetzen
„Es ist das einzige Buch dieser Art in Deutschland“, sagt Gisela Meister-Scheufelen, die auf eine lange Karriere im öffentlichen Dienst zurückblickt, selbst Abgeordnete und Staatssekretärin war. „Wir müssen wieder zu einer besseren Qualität von Gesetzen kommen“, so ihre These. Bis ende 2022 war sie Vorsitzende des Normenkontrollrates, und hat der Politik Empfehlungen gegeben, wie Gesetze einfacher werden können.
Als Beispiel führt sie die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens bei Windkraftanlagen an. Ähnliches sei nun von Bauministerin Nicole Razavi (CDU) für private Bauvorhaben geplant: „Natürlich gibt das Widerstand, aber das müssen wir durchstehen.“ Und Volker Haug erinnerte daran, dass auch die Gesellschaft davon abkommen müsse, jeden Sonderfall zu verrechtlichen.
Ein Porträt über den neuen Normenkontrollrats-Chef Dieter Salmon lesen Sie hier.
Er führt einen Todesfall beim Zugspitzenlauf 2008 an, als ein leicht bekleideter Läufer am Gipfel erfroren ist. „Sofort wurde die Frage gestellt: Wer ist verantwortlich? Der Veranstalter?“ Es sei ein Kulturwandel nötig. Wie also kann es gelingen? Und tragen die Gerichte selbst einen Anteil daran, jeden Sonderfall zu regeln? Michael Snowadsky, Richter am Landgericht Stuttgart, räume das ein: „Sicher haben wir da auch unseren Anteil.“ Allerdings warb er dafür, dass man Webfehler im Gesetz auch noch in einem Verfahren heilen könne, etwa durch einen Vergleich. Auch er bemerkt eine hohe Taktzahl an neuen Gesetzen, was an die Richter hohe Anforderungen stelle.
Wie wird es vor Ort umgesetzt?
Und wie kommt das auf der kommunalen Ebene an? Eva Sternhuber, Vizeleiterin des Rechtsamtes in Heidelberg, weist darauf hin, dass man in den Städten und Gemeinden in einer Art „Sandwich-Position“ sei – einerseits müsse man Gesetze anwenden, gleichzeitig aber auch selbst kommunale Rechtssetzung betreiben. Hier wünscht sie sich mehr Spielräume – um vor Ort die beste Entscheidung treffen zu können.
Spannend auch die Frage, ob Gesetze nicht grundsätzlich einfacher formuliert werden können, auch sprachlich gesehen. Christine Möhrs vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache ist ebenfalls Mitautorin des Buches. „Sprache ist so wichtig, weil sie vieles Weitere anstößt“, sagt sie. Wenn ein Gesetz verständlich formuliert sei, könnte das ein Anreiz sein, es auch später einfach und pragmatisch anzuwenden.
Eberhard Birkert war unter sieben Ministern im Ministerium
Ein alter Hase der Verwaltung im Lande ist Eberhard Birkert, der 27 Jahre lang im Justizministerium in der Grundsatzabteilung gearbeitet hat – unter sieben Ministern. Genauer gesagt über ihnen, ein Stockwerk über den Ministerbüro. „Natürlich hat die Verwaltung auch ihre eigenen Wünsche, möglichst viel ins Gesetz zu schreiben“, räumt er ein. Und wenn es dort nicht gelingt, dann in die Begründung, die dann gerne auch von Gerichten herangezogen wird.
Es ist also vielschichtig – und die Regularien von EU und Bund spielen mit dazu. Bernhard Boockmann, wissenschaftlicher Direktor am IWA der Uni Tübingen, verweist auf sich überlappende Zuständigkeiten. Und wie wichtig Digitalisierung sei, um Abläufe zu vereinfachen: „Daher gibt es einen Digitalisierungscheck.“
Mit im Auditorium sitzt D ieter Salomon, künftiger Vorsitzender des Normenkontrollrates. Er hat fleißig mitnotiert, und hat für seine künftige Tätigkeit jede Menge Anreize bekommen. „Es wird viel zu tun sein“, sagt der frühere Freiburger OB, der vergangene Woche für den Normenkontrollrat nominiert wurde.
Das Büchlein „Gute Rechtssetzung“ bietet ihm dazu jedenfalls etwas Orientierung. (sta)