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Manuel Hagel: „Wir können unmöglich so weitermachen wie bisher“
Staatsanzeiger : Herr Hagel, Ihren Urlaub haben Sie schon hinter sich, wohin sind Sie gereist? Und konnten Sie sich vom landespolitischen Betrieb erholen?
Manuel Hagel : Wir waren in Baden-Württemberg und im Allgäu im Urlaub. Mit allem, was für unsere zwei kleinen Buben und uns als Familie wichtig ist: Rutschparadies, Natur und viel frische Luft. Es war absolut erholsam und schön, so viel Zeit mit der Familie zu verbringen.
Haben Sie denn im Urlaub auch darüber nachgedacht, ob Sie im November für den Landesvorstand antreten wollen?
Sympathischer Versuch (lacht). Sie reihen sich wirklich ein in eine lange Reihe von Journalisten, denen ich diese Frage nicht beantworten werde. Das hat auch einen Grund: Ich stehe nicht jeden Morgen auf, schaue in den Spiegel und frage mich, was aus mir wird. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit als Fraktionsvorsitzender. Hier habe ich eine schöne Aufgabe und kann gestalten. Diese ständigen Diskussionen um Posten führt doch dazu, dass sich die Menschen von der Politik abwenden. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass neues Vertrauen in die CDU als moderne Volkspartei entsteht und dass sich die Menschen hinwenden zur Politik. Dafür konzentriere ich mich auf meine Aufgaben im Hier und Jetzt.
Die Zufriedenheit mit Grün-Schwarz nimmt ab. Nur jeder vierte Bürger findet die Arbeit der Landesregierung gut.
Wir sind als grün-schwarze Koalition in der bundesweiten Bewertung immer noch eine der besser bewerteten Landesregierungen. Klar ist: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann. Wir regieren mit unserem grünen Partner das Land stabil, berechenbar und verlässlich. Klar ist aber auch, dass dieser Dauerstreit der Ampel in Berlin auf die Politik als Ganzes abstrahlt. Deshalb heißt unser Credo im Land, Kurs statt Chaos und Pragmatismus statt Provokation. Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit, auf ein gutes Miteinander und gehen den Job engagiert an. Vor allen Dingen mit einer ruhigen, gelassenen und souveränen Politik, die auch Zuversicht ausstrahlt.
Auch die Bundes-CDU tut sich manchmal mit einem grünen Koalitionspartner schwer. Warum raten Sie dennoch dazu, dies in Erwägung zu ziehen?
Ich saß neben Friedrich Merz, als er mit Bezug auf die Grünen im Bund am Beispiel des Heizungsgesetzes sagte, dass diese permanente Regulierungswut die Menschen verunsichert und davon abhält, beim Klimaschutz mit anzupacken. Und dass unser Angebot ein konservativ inspirierter Umweltschutz ist, der nicht nur in der Schlagzeile, sondern auch in der Umsetzung funktioniert. Er sagte, dass wir ein besseres Angebot machen als die Grünen und sie daher in dieser Bundesregierung der Hauptgegner sind. Wenn der SC Freiburg gegen den VfB Stuttgart spielt, sind sie in diesem Spiel auch Gegner, in der Nationalmannschaft spielen sie aber in einem Team zusammen. Ich finde, mit dieser notwendigen Gelassenheit muss man die Frage auch politisch sehen. Die Grünen im Land sind für uns gute Partner, mit denen wir noch viel gemeinsam vorhaben.
Die AfD findet, dass Sie mit Blick auf mögliche Koalitionspartner nochmals grundlegend überlegen sollten. Werden Sie?
Eine Zusammenarbeit ist völlig ausgeschlossen. Die AfD darf und wird niemals Maßstab für Politik in unserem Land werden und kein Partner für Christdemokraten sein. Unsere Beschlusslage schließt jegliche Form der Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien aus – das gilt für die AfD und für die Linke. Als große, staatstragende Volkspartei definieren wir uns nicht in der Abgrenzung zu anderen, sondern souverän aus uns selbst heraus. Und dort, wo wir als gesellschaftliche Kraft der Mitte auf Empathie, auf Demut, Gelassenheit und Zuversicht setzen, braucht die AfD für ihr politisches Geschäftsmodell Spaltung, Hetze und Nervosität. Wir sind deshalb intellektuell, habituell und sprachlich die Antithese zur AfD.
Sie sagten im Sommer 2022, dass Verwaltungsprozesse schneller werden müssen. Was hat sich getan?
Das sind dicke Bretter, die wir bohren müssen. Der Ministerpräsident hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass er bald kapituliert vor der Bürokratie. Hier bin ich nicht seiner Meinung, obwohl ich unseren Ministerpräsidenten sonst sehr schätze. Wir dürfen als Politik unseren Gestaltungsanspruch nicht aufgeben. Aufgabe von handlungsfähiger Politik muss immer sein, einen vernünftigen Ordnungsrahmen zu gestalten, nicht das Rahmeninnere bis ins letzte Detail zu regeln. Politik ist so viel mehr als nur das Erklären von Verwaltung. Deshalb muss jetzt gelten: Alles, was weg kann an Regulierung, muss weg. Ich vertraue hier sehr auf die Erfüllungskompetenz unserer Verwaltungen in der Fläche – Vertrauen ist der richtige Ratgeber.
Was wurde bereits erreicht?
Vier Beispiele: Bei der Windkraft haben wir etwa das Genehmigungsverfahren voll digitalisiert und Widerspruchsverfahren abgeschafft. Dadurch haben wir die Planungsdauer mehr als halbiert. Wir haben beschleunigte Verfahren an Gerichten geschaffen. Jetzt kommen neue Stellen dazu, damit diese auch noch mehr Anwendung finden wird. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung von Mobilfunk-Antennen wurden erleichtert, um endlich die Löcher zu schließen und aus unserem Funknetz eine Decke zu machen. Nach der Sommerpause novellieren wir das Landesplanungsgesetz unter den Leitbegriffen Beschleunigung, Digitalisierung, Vereinfachung und Innovation. Hier muss jetzt jeder, der von Beschleunigung redet, mitanpacken und unsere Ministerin Nicole Razavi unterstützen.
Sie wollen eine Speicherung von Vorratsdaten. Damit dürften Sie sich bei den Grünen kaum Freunde machen.
Für mich geht es darum, das zu tun, was richtig ist, und nicht nur das, was vermeintlich gut ankommt. Ich werbe vor allen Dingen dafür, dass wir im Kampf gegen Kinderpornografie alle aus den alten Mustern rauskommen und dass wir diesem wichtigen Thema nicht mit Antworten von gestern begegnen. Etwa die Künstliche Intelligenz ermöglicht uns viele neue Möglichkeiten. Wir brauchen eine ambitionierte Politik, die die Kraft hat, die derzeit unhaltbaren Zustände auch wirkungsvoll zu verbessern. Die steigenden Opferzahlen sind nicht abstrakt. Diese Zahlen haben Namen, sie haben Gesichter, sie haben vor allem Schicksale. Es sind unsere Kinder. Das Wertvollste, was wir haben. Diese Kinder werden wir vor diesen elenden Verbrechern schützen.
Wenn sich also die Bedrohungslage im Land ändert, muss die Sicherheitsarchitektur angepasst werden.
Genau. Es muss eine Speicherung von Daten zumindest für die Dauer der Ermittlung möglich sein. Die Vorratsdatenspeicherung will ich differenziert angehen. Es sollen Fälle identifiziert werden, in denen man Daten zu unterschiedlicher Zeit speichern kann. Das ist eine neue Herangehensweise, wir haben aber ja auch neue technische Möglichkeiten. Die Frage ist nicht mehr Vorratsdatenspeicherung, ja oder nein? Es ist die Frage: Nehmen wir den Kampf gegen Verbrechen an unseren Kindern ernsthaft auf? Nicht nur analog zum Beispiel auf dem Spielplatz, sondern auch digital und im Darknet.
Sie sprechen sich auch dafür aus, die Zuwanderung zu begrenzen.
Dringend. Die Stimmung in der Frage der Migration hat sich in den letzten Monaten massiv geändert. Wir können unmöglich so weitermachen wie bisher. Die Ampel muss da endlich was tun. Illegale Migration muss spürbar verhindert werden. Unsere Gesellschaft ist nicht auf eine Zuwanderung in dieser Größenordnung vorbereitet, das Sozialsystem ist dafür auch nicht vorgesehen. Was wir brauchen, ist die Zuwanderung von Arbeitskräften. Was wir erleben, ist eine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Wir haben Anerkennungsquoten zwischen drei und vier Prozent. Die Österreicher haben einen Rückgang von 18 Prozent. Wir eine Steigerung von 78. Wir sind über das Maß des Leistbaren hinausgekommen. Das müssen wir anerkennen und in der politischen Wirklichkeit repräsentieren. Als Maßnahmen brauchen wir Kontrollen an den Außengrenzen und wir müssen die Anzahl der sicheren Herkunftsländer erhöhen. Und wir brauchen eine europäische Kontingentregelung und eine gerechte Verteilung innerhalb von Europa. Nur so gelingt es uns, eine konstante Überforderung unseren Kommunen, Ehrenamtlichen und der Gesellschaft als Ganzes zu verhindern.
Das Gespräch führte Jennifer Reich