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Energienetze: Netzagentur gewährt Betreibern höhere Rendite
Stuttgart. Die Netzbetreiber in Deutschland stehen vor gewaltigen Investitionen. Ausgelöst durch die Energiewende müssen sie allein in die Stromverteilnetze bis zum Jahr 2030 rund 32 Milliarden Euro investieren. Das schätzen Forscher der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen.
Eigenkapitalzinssatz soll auf über sieben Prozent steigen
Das weiß auch die Bundesnetzagentur in Bonn. Sie will Investitionen in die Infrastruktur spürbar anreizen und plant, den Betreibern von Strom- und Gasnetzen höhere Gewinnmöglichkeiten einzuräumen. Dazu will sie den Eigenkapitalzinssatz, mit dem die Betreiber ihre Investitionen verzinsen, ab Januar 2024 für neue Investitionen auf 7,09 Prozent anheben – ein Anstieg um 40 Prozent. „Wir berücksichtigen damit die aktuelle Entwicklung des Zinsumfelds. Wir sind davon überzeugt, damit einen kräftigen Investitionsanreiz zu schaffen“, sagt Netzagentur-Präsident Klaus Müller.
Den Energiedienstleistern, die selbst keine Netze haben und die daraus resultierenden Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterreichen müssen, geht die Erhöhung „deutlich zu weit“, wie Robert Busch, der Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft, klarmacht. Sie nutze einseitig den Netzbetreibern und belaste die Verbraucher. Bereits heute stellen die Netzentgelte mit rund 25 Prozent den größten Einzelposten auf der Stromrechnung dar.
„Bei der Eigenkapitalverzinsung herrscht großer Handlungsbedarf“, sagt dagegen der Verband kommunaler Unternehmen. Für die Kommunalbetriebe ist die Erhöhung „enttäuschend“. Betroffen sind auch die rund zehn Netzbetreiber in Baden-Württemberg, darunter der größte unter ihnen, die Netze BW.
Deren Chef Christoph Müller ist skeptisch: „7,09 Prozent ist aus heutiger Sicht grundsätzlich ein Eigenkapitalzinssatz, der eine marktfähige Finanzierung der Netzinvestitionen erlauben kann.“ Allerdings gebe es diesen Zinssatz nach dem Entwurf der Bundesnetzagentur maximal nur für die ersten fünf der in der Regel 40 Jahre Laufzeit einer Netzinvestition, kritisiert er. „Für die übrige Laufzeit gibt es den herkömmlichen Bestandsanlagenzins. Und den sieht die Behörde offenbar selbst als zu niedrig an; sonst hätte sie ja jetzt nicht gehandelt.“ Zudem soll der höhere Eigenkapitalzins nur für Neuinvestitionen gelten, nicht aber für bestehende Netze. Das dürfte Investitionen erschweren, findet Müller: „Eigenkapital bekomme ich als Unternehmen von meinen Eigentümern. Und die entscheiden in einem fortlaufenden Prozess immer wieder neu, ob sich eine Geldanlage in die Netze lohnt. Dabei vergleichen sie diese Anlagemöglichkeit mit anderen Möglichkeiten der Kapitalanlage. Am Ende entscheiden sie sich dann für die jeweils attraktivste Variante.“
Müller hält die Pläne, den höheren Eigenkapitalzins nur auf Neuinvestitionen anzuwenden, für „äußerst problematisch“. „Der Eindruck, damit gebe es für die Verteilnetze Planungssicherheit und eine belastbare Perspektive für Neuinvestitionen, ist ganz einfach falsch. Im Gegenteil: Aktuell muss man sogar eher damit rechnen, dass man für weite Teile der Laufzeit einer Neuinvestition keine marktgerechte Verzinsung bekommt.“
„Der Eindruck, es gibt jetzt für die Verteilnetze Planungssicherheit und eine belastbare Perspektive für Neuinvestitionen, ist falsch.“
Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Netze BW
Positiv zu Buche schlägt, dass die Bundesnetzagentur eine neue „zeitvariable Zinskomponente bei den Netzentgelten einführen will, den „Kapitalkostenaufschlag“. Dafür soll das Zinsniveau des ersten Quartals eines Kalenderjahrs für die Investitionen des Folgejahres maßgeblich sein.
Rendite fällt nach fünf Jahren unter den Marktzins
Für Netze-BW-Chef Müller geht das allerdings am eigentlichen Problem vorbei. „Ein Kapitalgeber muss damit rechnen, dass die Verzinsung seines Eigenkapitals für die heutige Neuinvestition nach fünf Jahren auf ein Niveau unter dem Marktzins abgesenkt wird. Für die verbleibenden 35 Jahre der Nutzungsdauer erzielt er keine marktadäquate Rendite.“
Die Bundesnetzagentur steht nun unter Beschuss. Es sei das Ziel, investitionsfreundliche Bedingungen zu schaffen, verteidigt sich Behördenchef Müller. „Zugleich sind wir aber auch die Kostenwächter für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie die Industrie.“ Die Energiekosten seien in den vergangenen Monaten ein treibender Faktor für die Inflation gewesen. Darum müsse ein Anstieg des Eigenkapitalzinses mit Augenmaß erfolgen.