Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Landtag hat beschlossen: Auch 16-Jährige dürfen Gemeinderäte werden
STUTTGART. Mit den Stimmen von Grünen, CDU und SPD hat der Landtag eine umfassende Reform kommunalwahlrechtlicher Vorgaben beschlossen. Ein zentraler und bundesweit einmaliger Einschnitt ist, dass sich beim nächsten Urnengang im Jahr 2024 auch 16-Jährige zur Wahl stellen können. Für die Regierungsfraktionen machten Swantje Sperling (Grüne) und Ulli Hockenberger (CDU) deutlich, sich im Spannungsfeld zwischen Jugendschutz und Mitbestimmung für letztere entschieden zu haben. Im Leben wie in der Politik gebe es Fragen ohne zweifelsfreie Antworten, so Hockenberger, „dann muss man sich selber eine geben und sehen, was man für richtig hält“.
Verabschiedet sind fünf zentrale Punkte, vom Wahlrecht auch für Wohnsitzlose über die Wählbarkeit von 18-Jährigen zu Bürgermeistern und 16-Jährigen in die Räte bis zum neuen Stichentscheid bei Bürgermeister- und Oberbürgermeisterwahlen. „Wir kommen unserem Ziel, junge Menschen stärker und früher an demokratischen Prozessen zu beteiligen, ein großes Stück näher“, lobte Innenminister Thomas Strobl (CDU) und erinnerte an seine 27 Jahre Gemeinderatserfahrung. Die 1101 Gemeinden und 35 Landkreise seien „die Keimzelle und die Grundlage unserer Demokratie, denn die ist nirgendwo so unmittelbar erlebbar und spürbar wie dort“.
SPD will Abwahl von Bürgermeistern ermöglichen
Die SPD-Fraktion hat zusätzliche dafür geworben, eine Abwahl von Bürgermeistern durch den Gemeinderat in die Reform aufzunehmen. Denn in einer Situation, in der ein Bürgermeister handlungsunfähig sei, so ihr Innenexperte Sascha Binder, müssten Stellvertreter und Gemeinderäte gegebenenfalls über Monate Aufgaben übernehmen, für die sie nicht gewählt seien.
Grüne und CDU argumentieren dagegen mit der notwendigen Attraktivität des Amts und der Gefahr, keine Bewerber zu finden, wenn die Möglichkeit der Abwahl besteht. Einen weiteren Punkt monierte Binder als „Traumaaufarbeitung der Grünen“. Weil in Stuttgart bei der OB-Wahl die Kandidatin Veronika Kienzle als zweite nach dem ersten Wahlgang nicht zum Zuge gekommen sei, werde jetzt die Stichwahl eingeführt. Ein „falscher Schluss“, der die Wahlmöglichkeiten durch die Einführung für Bürgerinnen und Bürger minimiere“. Es drohe ein bisschen unterzugehen, dass „wir „auch die Landkreisordnung an einem entscheidenden Punkt ändern“, erläuterte Hockenberger. Er nenne das Stichwort Reutlingen–Reutlingen und den Antrag auf Stadtkreiserhebung: „Wir haben uns seinerzeit nicht entschließen können, dem Antrag zu entsprechen, aber wir haben versprochen, wenn sich vor Ort etwas bewegt, sind wir auch bereit, nachzusteuern“.
Abhilfe gegen Spaßkandidaten
Entgegengetreten will die Reform auch Jux- oder Störkandidaturen. Eine Entscheidung, die auch Julia Goll (FDP) lobte: „Die Absenkung des passiven Wahlalters auf 16 Jahre halten wir aber nicht für den geeigneten Weg, sondern für einen gefährlichen Schnellschuss.“ Viele rechtliche Probleme, insbesondere zu Fragen des Jugendschutzes, seien ungeklärt. Nicht zufriedenstellend gelöst sei auch der Konflikt, der sich aus der kommunalen Verantwortung der jugendlichen Mandatsträger mit dem Erziehungsrecht der Eltern ergibt. Damit schlage die Landesregierung „elementare rechtliche Bedenken der Fachleute der Anhörung in den Wind und riskiert, dass Kommunalwahlen für ungültig erklärt werden“.
Für die AfD kritisierte auch Hans-Jürgen Goßner den Umgang mit Erkenntnissen aus der Anhörung, die man sich auch sparen könne, „was uns Lebenszeit sparen würde“. Es seien „unter dem Vorwand des Allgemeinwohls nur politische Interessen der Parteien bedient“ worden. Sperling erläuterte dagegen, dass sehr wohl auf die Anhörung eingegangen worden sei. Unter anderem sei deutlich geworden, „dass die juristische Zulässigkeit unproblematisch ist“. Grundsätzlich habe das Wahlrecht nicht nur eine fundamentale Bedeutung, es hat auch Dynamik und muss regelmäßig überprüft und angepasst werden“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer