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Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz verteidigt ihr damaliges Vorgehen
STUTTGART. Es gleicht einer archäologischen Grabungsarbeit: Schicht für Schicht rekonstruieren die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses zur Polizeiaffäre die Abläufe. Wie kam der inzwischen suspendierte Polizeiinspekteur Andreas Renner ins Amt? Wer hat von politischer Seite Einfluss genommen? Und wie hat die Polizeipräsidentin Stefanie Hinz auf die Vorwürfe reagiert, dieser habe eine junge Beamtin sexuell genötigt?
Vor allem im letzten Punkt geht es auch um die Frage, wie die oberste Polizeichefin im Land ihr Amt führt. Vehement wehrt sie sich gegen den Vorwurf, nach Bekanntwerden der Vorwürfe zu spät oder falsch reagiert zu haben. „Ich habe das schärfste Schwert ergriffen“, sagt sie, „und zwar die Untersagung der weiteren Ausübung der Dienstgeschäfte.“
Der Inspekteur wurde also sofort suspendiert als bekannte wurde, dass er eine junge Beamtin bedrängt haben soll, sich mit ihm für eine Beförderung sexuell einzulassen. Neu ist für die Öffentlichkeit die Information, dass Hinz auch sofort anordnete, das dienstliche Handy von Renner zu beschlagnahmen. Nicht aber das private, über das dieser seine dienstlichen Kommunikation oft abgewickelt habe soll.
Das private Diensthandy wird zum Zankapfel
Renner soll dieses sofort zerstört haben, als er von dem Verfahren gegen sich erfuhr. Das war im November 2021. Erst kurz vor Weihnachten hat die Staatsanwaltschaft sein privates Handy – ein neues Gerät – beschlagnahmt. Auch hier lieferte Hinz eine neue Deutung: „Mittlerweile war ein weiterer strafrechtlich relevanter Vorwurf gegen den Inspekteur bekannt geworden.“ Ist das eine hinreichende Erklärung für das lange Zögern der Ermittlungsbehörden?
Die 50-Jährige verteidigt ihr Vorgehen – es habe ausreichend Beweise gegeben, um Renner anzuklagen, das Verfahren soll Ende April beginnen. Die bedrängte Beamtin hatte einen Teil eines Gesprächs aufgezeichnet und stellte zudem Whatsapp-Chatverläufe zur Verfügung. Der SPD-Obmann Sascha Binder kritisiert indes: „Frau Hinz hat wichtige Beweismittel nicht sichergestellt.“ Die Polizeipräsidentin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, gestand aber auch Fehler ein. Dass sie etwa eine fröhliche Sektrunde zwischen dem suspendierte Inspekteur und der jungen Beamtin im Innenministerium nicht unterbunden habe, in deren Folge es zu den Übergriffen gekommen sein soll. Oder dass sie despektierliche Äußerungen Renners über das SEK („Jungs in Strampelanzügen“) nicht entgegengetreten sei.
Als der AfD-Obmann Hans-Jürgen Goßner Hinz nach ihrer Qualifikation für das Amt der obersten Polizeichefin im Land fragt, entgegnet sie: „Würden Sie dieser Frage einem Mann auch stellen?“ Eines wird klar: Die Polizeichefin will um ihr Amt und die Deutungshoheit kämpfen. Dass der Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu ihr steht, wurde bereits vergangene Woche auf der Landespressekonferenz deutlich.
Trotzdem – oder gerade deswegen – scheut sich Stefanie Hinz nicht, die mehr oder weniger unverhohlene Einflussnahme von CDU-Politikern zu schildern. Etwa als es darum ging, Andreas Renner 2020 überhaupt zum Inspekteur zu machen. Immer wieder taucht dabei der Name des CDU-Abgeordneten Siegfried Lorek auf, seit 2021 Staatssekretär im Justizministerium. Er gilt als Strippenzieher und empfahl Hinz ausdrücklich, seinen langjährigen Freund Renner zu befördern.
CDU-Staatssekretär Siegfried Lorek im Mittelpunkt
Lorek soll nach Presseberichten auch erklärt haben, falls er 2021 nicht wiedergewählt werde, dann hätten Hinz und der damalige Inspekteur der Polizei, Andreas Renner, „schon für mich gesorgt“. Eine Aussage, die Hinz deutlich missfallen hat, was sie auch zum Ausdruck bringt: „Ich habe ihm klar meine Meinung gesagt. Das war wenig freundlich.“ Tatsächlich sei es Rechtslage, dass Lorek als ehemaliger Beamter und Polizeioberrat ein Rückkehrrecht habe, wenn er aus dem Landtag ausscheide. Dazu habe es Gespräche gegeben, mehr nicht.
Doch das verstärkt den Eindruck eines CDU-Netzwerkes tief in die Landespolizei hinein. Die CDU-Obfrau Christiane Staab versucht indes, diesem Eindruck entgegen zu treten. Sie verweist darauf, dass solche Personalien „niemals nur von einer Person entschieden“ würden.
Bleibt noch die Frage, wie künftig gegen sexuelle Belästigung in der Landespolizei vorgegangen werden soll. Ein Regierungsbericht offenbart immerhin 87 solcher Vorwürfe. „Jeder der 87 Fälle ist einer zu viel“, sagte die Landespolizeipräsidentin. Und kündigte etwa die Einrichtung eines „Vertrauensanwalts“ ein, an den sich die Opfer wenden können.