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Katastrophenschutz: Zell am Harmersbach rüstet sich für den Notfall
ZELL AM HARMERSBACH. Jahrelang wurde er stiefmütterlich behandelt: der Katastrophenschutz, der eigentlich Sache der Bundesländer ist. Zu viele Negativereignisse, die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal, die Coronapandemie oder der Ukrainekrieg und die daraus resultierende Energiekrise, haben aber dazu geführt, dass sich deutlich mehr Gebietskörperschaften, Institutionen und Verbände mit dem Thema beschäftigen. Die Stadt Zell am Harmersbach (Ortenaukreis) erarbeitet ein eigenes Gefahrenabwehr- und Krisenmanagementsystem (GKMS).
Trotz Krise soll Verwaltung reibungsfrei arbeiten können
Was sich zunächst sperrig anhört, ist nichts weniger als der Versuch, für verschiedene Schaden- und Katastrophenereignisse Handlungsszenarien zu erarbeiten, um schnell und reibungsfrei agieren zu können. Dazu trafen sich Ende Januar 13 Akteure mit unterschiedlichen Aufgaben in der Stadt bei einem Workshop: Feuerwehrleute, Polizisten, alle relevanten Ämter der Verwaltung, mehrere Gemeinderäte sowie Bürgermeister Günter Pfundstein (parteilos). Fachlich angeleitet wurde das Treffen von Dominic Gißler, einem der führenden deutschen Wissenschaftler im Bevölkerungsschutz.
Mehr als 20 Ereignisse identifizierten die Teilnehmenden, die Störungen, Notfälle, aber auch ernste Krisen bewirken können. Dabei fielen die Stichworte Hochwasser, Waldbrand oder Großbrand. „Das sind Dinge, die man zumindest teilweise auch aus der Vergangenheit schon kennt“, so Bürgermeister Pfundstein. Mit dem Wissen um die aktuellen Entwicklungen aber kommen auch Ereignisse zur Sprache, für die man bis vor wenigen Jahren noch belächelt worden wäre. Dazu gehören Erdbeben, Amoklauf, Pandemie, Verteidigungsfall, atomarer Störfall oder ein Aufstand. Von der Verwaltung wurden beispielsweise Cyberangriffe, Datenleaks oder Infrastrukturausfälle als potenzielle Störfaktoren ausgemacht.
„Wir sind es in unserer Gesellschaft gar nicht mehr gewohnt, mit solchen Situationen umzugehen“, meint Bürgermeister Pfundstein. Da brauche es noch einen Lerneffekt – bei der Verwaltung und den Diensten und bei der Bevölkerung. „Da wünschen wir uns manchmal auch mehr Unterstützung von den höheren Ebenen“, ergänzt der Verwaltungschef, der den Gemeinderat mit Blick auf das GKMS hinter sich weiß. Gleichzeitig wolle man in der Bevölkerung keine Angst schüren, aber das Zulegen eines Notvorrats, wie vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe angemahnt, sei keine schlechte Sache.
Erstes Ergebnis des Workshops ist, dass Zell am Harmersbach ein Notstromaggregat anschaffen wird.
Perspektivisch sollen es drei Stück werden. Sie sollen dafür sorgen, dass Verwaltung, Feuerwehr und die kritische Infrastruktur bei einem längeren Stromausfall funktionsfähig bleiben. Doch das wird nur der Anfang sein. Vor allem wird es darum gehen, für Notfallsituationen bestimmte Abläufe festzulegen, um nicht zu viel Zeit mit Entscheidungen zubringen zu müssen. Wie diese Abläufe genau aussehen, muss in den kommenden Monaten bei einem weiteren Workshop von den Akteuren erarbeitet werden.
Klar ist, dass es vor allem in den ersten Stunden einer Notfallsituation darauf ankommt, dass der Verwaltungsapparat arbeitsfähig bleibt oder zumindest schnell wieder handlungsfähig wird. Eine Notfall-Anlaufstelle muss für die Bevölkerung geschaffen werden.
Notfallfahrbus könnte in einer Krise helfen
Demgegenüber wird definiert, was in der Verwaltung in einer außerordentlichen Lage vielleicht mehrere Wochen warten kann: exemplarisch wird ein Bauantrag benannt. „Diesen Bescheid braucht man dann vielleicht nicht als Erstes“, sagt Pfundstein. Als konkrete Maßnahmen für die Bevölkerung hat die Verwaltung im Krisenfall eine umfassende Warnung, die Einrichtung eines Notfallfahrbusses oder die psychosoziale Notfallversorgung im Blick – nur drei von vielen Dingen. Ein Notbetrieb soll auf eine Dauer von drei bis fünf Tagen ausgerichtet sein.
Bei Katastrophen sind die Länder nicht allein
Katastrophenschutz ist zunächst Ländersache. Bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen können die Länder jedoch Hilfe anderer Länder, des Technischen Hilfswerks, der Bundespolizei oder der Streitkräfte anfordern.
Für Zivilschutz ist der Bund zuständig. Das gilt unter anderem im Verteidigungsfall und hat zum Ziel, die Menschen, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten sowie wichtige Verwaltungsstellen, Betriebe und Einrichtungen vor Kriegseinwirkungen zu schützen. In der Praxis sind in vielen Fällen die Kommunen zuständig, beispielsweise über ihre Feuerwehren beim Brandschutz oder bei der Gefahrenabwehr bei ABC-Angriffen.