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Gemeinderäte ab 16: Grün-Schwarz will mehr Jugend in den Gremien
STUTTGART. Die Landesregierung will mit zahlreichen Maßnahmen das Kommunalwahlrecht modernisieren. Das Gesetzespaket hat auch eine echte Neuerung parat, die am Mittwoch bei der ersten Aussprache im Landtag für geteilte Meinungen sorgte: Künftig sollen auch Minderjährige in einen Gemeinderat, einen Kreistag sowie in die Regionalversammlung der Region Stuttgart gewählt werden können.
Grüne und CDU warben am Mittwoch im Landtag für ihre Pläne, die schon im Koalitionsvertrag festgezurrt waren. Junge Menschen seien mehrheitlich politisch interessiert, betonte Swantje Sperling (Grüne). Und sie fuhr fort: Über zehn Jahre sei sie die jüngste Kreis- und Gemeinderätin gewesen. „Unter 40 und kein Mann, das ist auch hier immer noch richtig exotisch.“
Kommunen sorgen sich um die Rechtmäßigkeit der Wahl
„Lasst uns mehr Jugend wagen“, brachte es der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Ulli Hockenberger, auf den Punkt.
Auf die Einwände der kommunalen Landesverbände ging die Abgeordnete Julia Goll von der FDP ein. Die Beteiligung von jungen Menschen ab 16 an Entscheidungsprozessen in den Kommunen sei zwar ein hehres Ziel. Man müsse aber auch fragen, ob der Weg gangbar sei. Sie erinnert daran, dass Gemeinderatssitzungen bis weit in die Nacht dauern könnten. Bei den Minderjährigen sei es berechtigt, wenn die Eltern sie nach Hause zitieren würden, weil am nächsten Tag eine Klassenarbeit ansteht.
Für Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag steht die Gültigkeit der Kommunalwahl 2024 auf dem Spiel. Sie hatten in ihrer Stellungnahme unter anderem darauf verwiesen, dass Minderjährige nicht alle Aufgaben eines Kreis- oder Gemeinderats übernehmen könnten.
Goll warnte davor, dass es in Zukunft Gemeinderäte zweier Klassen geben könnte. „Die einen dürfen alles, die anderen dürfen nicht in Aufsichtsräte, dürfen nicht stellvertretende Bürgermeister sein.“ Da stelle sich die Frage, ob die abgegebenen Stimmen gleichwertig seien. Innenminister Thomas Strobl (CDU) ging zu Beginn der Debatte auf die rechtlichen Einwände ein. Er betonte aber, dass die Landesregierung diese Befürchtung nicht teilt.
Möglicherweise werde es Klagen geben, das sei in einem Rechtsstaat nichts Außergewöhnliches. Die Landesregierung habe die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines passiven Wahlrechts ab 16 Jahren gründlich geprüft, so Strobl.
Stichwahl statt Neuwahl bei Bürgermeisterwahlen
Die SPD stimmt den Plänen zu, das Wahlalter abzusenken. Laut Sascha Binder müsse man es wagen, „selbst wenn wir damit das Risiko eingehen, dass sich 16- oder 17-Jährige in einem Gemeinderat wiederfinden, die nicht für alle Aufgaben, die ein Gemeinderat hat, zur Verfügung stehen“. Diesen Nachteil würde die Fraktion in Kauf nehmen. Die AfD lehnt das Vorhaben ab und vermutet Klientelpolitik. „Die Grünen sehen, nicht ganz zu Unrecht, minderjährige Schüler als grüne Kernwähler“, so Hans-Jürgen Goßner.
Eine weitere geplante Änderung ist die Stichwahl bei Bürgermeisterwahlen statt wie bisher einer Neuwahl. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn zuvor kein Bewerber die erforderliche absolute Mehrheit erhalten hat. Nur die beiden Bestplatzierten sollen künftig erneut antreten dürfen. „Ein Showdown in der Gemeinde“, wie es Hockenberger ausdrückte. Goll verwies auch hier auf die Kommunalverbände, die für diese Änderung keinen Bedarf sehen.
Die SPD-Fraktion befürchtet, dass eine Stichwahl die Wahlmöglichkeiten der Bürger einengt. Wähler sollten auch im zweiten Wahlgang kompetente Bürger zur Kandidatur auffordern können, forderte Binder.
Wahlalter für Bürgermeister auf 18 Jahre senken
Das Land plant zahlreiche weitere Änderungen rund um Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen: So soll das Wahlrecht für Wohnsitzlose vereinfacht werden. Des Weiteren sollen die Altersgrenzen für Kandidaten bei Bürgermeisterwahlen wegfallen und Landesbedienstete nach der Amtszeit als Rathauschef in den Landesdienst zurückkehren können. Die Kommunalverbände fordern, dies auch für kommunale Beamte zu ermöglichen. Auch will das Land eine höhere Anzahl von Bewerbern in Wahlvorschlägen in kleineren Gemeinden und Ortschaften ermöglichen.