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Beamtenbund: Diskussion um die Silvesterkrawalle und Lob für Heilbronn

Die Randale der Silvesternacht 2022 beschäftigt auch den Beamtenbund. Bei seiner Jahrestagung in Köln kommen namhafte Redner zu Wort, darunter die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie benannte ein Positivbeispiel aus Baden-Württemberg.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) , Vorsitzender des Beamtenbunds Ulrich Silberbach

Bei der Jahrestagung des Beamtenbunds in Köln hatte dessen Vorsitzender Ulrich Silberbach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Gast.

Marco Urban)

KÖLN. Alle Jahre wieder kommt der Beamtenbund Anfang Januar zu seiner Jahrestagung in Köln zusammen. Und wieder einmal steht die Forderung nach einem starken, handlungsfähigen Staat im Zentrum der Debatten – nicht zuletzt, weil wieder einmal eine Silvesternacht vorausging, die die Funktionsfähigkeit des Staates infrage gestellt hat.

Dabei sind es längst nicht mehr nur die Rechten, die sich diese Forderung zu eigen machen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rief am Montag die Richter dazu auf, den Strafrahmen auszuschöpfen. Nicht nur die Polizei müsse konsequent agieren, die Straftäter müssten auch schnell abgeurteilt werden. „Das ist das Maß der Dinge, das wir dieser Tage brauchen.“

Faeser will Angriffe nicht mehr hinnehmen

Faeser lobte das Amtsgericht Heilbronn, das vier Tage nach Tat einen 30-Jährigen wegen eines „tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte“ zu neun Monaten Haft verurteilt hat. Dies sei nur mit einer finanziell gut ausgestatteten Justiz möglich, sagte sie als versteckter Hinweis auf die Länder, die für deren Finanzierung zuständig sind. Angriffe wie in Berlin „werden wir als Staat nicht hinnehmen“. Dieser habe die Aufgabe, diejenigen zu schützen, „die uns schützen“.

Die Angreifer seien junge Menschen mit Migrationshintergrund gewesen, „die unseren Staat verachten“. Der linke Publizist Albrecht von Lucke wurde deutlicher. Unter den rund 100 Angreifern hätten sich 25 Syrer und 25 Afghanen befunden. 18 Nationen seien vertreten gewesen. „So deutlich ist Diversität in Berlin noch nie gelebt worden“, sagte er nur halb ironisch.

Von Lucke: Frage der Sozialisation

Vor diesem Hintergrund gehe es nicht um die Integration, sondern um die Sozialisation dieser Menschen. Er frage sich: „Wie kommt man dazu, dass die Bereitschaft zur Zerstörung öffentlichen Eigentums wieder zurückgeht?“ Das werde nicht ohne Geld gehen. Von Lucke forderte deshalb eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und erinnerte daran, dass dieser unter Helmut Kohl (CDU) bei 50 Prozent lag und erst danach auf 40 Prozent gesenkt wurde.

Vielleicht ließe sich damit auch eine andere verhängnisvolle Entwicklung stoppen, die von Lucke ausgemacht hat – die Radikalisierung des Protests. Der viel beschworene deutsche Untertanengeist sei in sein Gegenteil umgeschlagen. Privat gehe vor Staat. Viele Menschen sähen nur noch sich selbst. Er kenne eine Juristin, die von jetzt auf gleich zur Corona-Leugnerin mutiert sei, nur, weil sich impfen lassen sollte.

Ansagen der Politik lassen sich nicht umsetzen

Ziel müsse ein Staat sein, der wehrhaft, handlungsfähig und auf der Höhe der Zeit sei. Wenn jedoch die Politik Ansagen macht, die die Verwaltung und die Justiz nicht umsetzen können, schade diese allen Beteiligten.

In dieser Hinsicht sind sich der linke Publizist und der rechte Gewerkschafter – der Beamtenbund-Bundeschef Ulrich Silberbach gehört der CDU an – einig. Die Exzesse der Silvesternacht bedürften „einer klaren Antwort unseres Rechtsstaates“. Gerichte, Staatsanwaltschaften und der Justizvollzug müssten besser ausgestattet werden.

Silberbach: Raus aus dem Krisenmodus

Silberbach sagte: „Wir müssen raus aus dem Krisenmodus.“ Dabei gehe es nicht nur um den Rechtsstaat, auch Kitas, Kliniken, Schulen und viele andere öffentliche Einrichtungen litten unter Personalmangel. Angesichts kaputter Brücken und Straßen, verspäteten Zügen und Briefen und Versprechen der Politik, die nicht eingehalten würden, erodiere das Vertrauen in den Staat und seine demokratischen Institutionen.

Die Frage, wie der öffentliche Staat den gesellschaftlichen Zusammenhalt stabilisieren kann, beschäftigt auch den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio. Wenn Gesetze beschlossen, aber nicht vollzogen würden, wenn Bürger erlebten, dass ihre Sicherheit nicht geschützt werde, dann gehe Vertrauen verloren. Der Rechtsstaat habe nicht nur die Aufgabe, die Demokratie zu schützen, sondern auch den Sozialstaat, denn von Angriffen wie in der Silvesternacht seien zuerst die sozial Schwachen betroffen und nicht die Reichen, die sich notfalls – siehe Lateinamerika – auch eigene Sicherheitsdienste leisten könnten.

Di Fabio: Forderung nach lohnender Besoldung

Der öffentliche Dienst in Deutschland sei seit Jahren überfordert. Es fehle an Personal, an Mitteln, an Ausbildung und an einer Besoldung, die so hoch ist, dass Leistung sich lohne. Und die große Pensionswelle stehe noch bevor. Wenn die Babyboomer in den Ruhestand gingen, folge eine Generation, die um 40 Prozent kleiner sei.

Die Bundesrepublik Deutschland sei im internationalen Vergleich nach wie vor ein wohlgeordneter Staat, räumte di Fabio ein. Doch man wehre den Anfängen: „Wer Steine auf die Feuerwehr wirft, vergeht sich an Rechtsstaat und Demokratie.“ Unsere Beamte seien nicht im Auftrag von Diktatoren oder Autokraten unterwegs. „Wir haben sie dahin gestellt“, mahnte er.

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