Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Betreuung von Personen: „Lucha hat die Umsetzung der Novelle komplett verschlafen“
STUTTGART. Zum Jahreswechsel tritt das Bundesgesetz zur Weiterentwicklung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in Kraft. Dafür muss auch das Land Regelungen zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen treffen und eine bundesweit einheitliche Qualität der beruflichen Betreuung sicherstellen. „Minister Lucha hat die Umsetzung seit Verabschiedung der Novelle im Bundestag vor eineinhalb Jahren komplett verschlafen“, kritisierte Rudi Fischer, der seniorenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die Landesregierung verstecke sich hinter Modellprojekten, die aber auch erst im kommenden Jahr starten sollen. Das Gesetzgebungsverfahren sei bis zum allerletzten Drücker verschleppt worden, was dazu führe, „dass die Akteure, die tagtäglich in der rechtlichen Betreuung arbeiten, immer noch nicht wissen, wie ihre Mehrarbeit im kommenden Jahr genau finanziert wird“.
Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hingegen betonte, dass unterstützungsbedürftige Menschen bei der Suche nach der richtigen Hilfe künftig von der Behörde „im wahrsten Sinne des Wortes an die Hand genommen werden“. Gerade dadurch würden rechtliche Betreuungen vermieden. Und die Unterstützung im Gerichtsverfahren werde durch Modellprojekte im Land erprobt, um deren Wirksamkeit zu testen.
Modellversuche in verschiedenen Landkreisen
Auch Thomas Poreski (Grüne) sieht in den Modellversuchen in den Landkreisen Ludwigsburg, Lörrach und Emmendingen sowie im Ostalbkreis und in der Stadt Freiburg die Möglichkeit, die neue Praxis „vertieft und qualitätsgesichert“ zu erproben. Nicht jede der bisherigen Betreuungskonstruktionen, die zum Teil auch ausbeuterischen Charakter hätten, werde Bestand haben, die Unterstützung bei der sozialen Teilhabe aber wichtiger denn je. „Dafür stehen die Betreuungsvereine in unserem Land, eine beeindruckende Kombination aus Professionalität und bürgerschaftlichem Engagement“, so der Reutlinger Abgeordnete.
„Dieses Gesetz bringt eindeutige Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen und für Menschen mit psychischen Erkrankungen in unserem Land mit sich, deshalb stehen wir dahinter“, anerkannte auch Dorothea Kliche-Behnke (SPD). Ihre Fraktion sei gewillt, dem Minister „an dieser Stelle einen gewissen Vertrauensvorschuss zu geben“.
Bundesweite Einheitlichkeit
Ansgar Mayr (CDU) erläuterte, es gehe bei den Neuregelungen darum, die Arbeit der Betreuungsvereine zu professionalisieren und finanziell gut auszustatten. Und es gelte „bundesweit einheitliche Standards“ zu schaffen.
„Die Chance, mit dem Gesetzentwurf umfassende Verbesserungen bei der Betreuung von Personen zu erreichen, wurde trotzdem leider zum Teil vertan“, beanstandete Carola Wolle (AfD). Positiv sei zwar zu vermerken, dass das Selbstbestimmungsrecht von rechtlich betreuten Personen gestärkt werde durch den grundsätzlichen Vorrang für den Wunsch des Betreuten als zentralen Maßstab des Betreuerhandelns. Es sei aber nicht an die Umsetzungspraxis gedacht, denn die Arbeitsbedingungen von Betreuern seien nicht verbessert und die bürokratische Entlastung nicht angegangen worden. Zudem erfolge die Vergütung der Betreuer über Fallpauschalen: „Eine sinnvolle Lösung wäre vorhanden, wenn die Betreuer auf Stundenbasis vergütet werden würden, weil nur auf diesen Weise besonders engagierte Betreuer eine entsprechende Wertschätzung erhalten.“
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer