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Bürokratieabbau: Der Normenkontrollrat muss abtreten
STUTTGART. Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung hat Ministerpräsident Winfried Kretsch-mann (Grüne) in seiner Regierungserklärung im November versprochen. Umso mehr verwundert es Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, dass das Mandat des Normenkontrollrats nicht verlängert wird. Dieses läuft zum Jahresende aus.
Broß sprach von einem falschen Signal. „Der Ministerpräsident kann nicht einerseits einen Masterplan für weniger Bürokratie ankündigen und im gleichen Atemzug das Gremium abschaffen, dessen ureigenste Aufgabe seit nunmehr fünf Jahren die Vermeidung und der Abbau von unnötiger Bürokratie ist“, so Broß.
In dieser Woche hat der Normenkontrollrat, dessen Mitglieder sich zum Teil seit Jahren und Jahrzehnten mit dem Thema Bürokratieabbau befasst haben, ein weiteres Gutachten vorgelegt. Diesmal geht es um die Vereinfachung von Landesförderprogrammen. Hier sieht das Gremium ein Einsparpotenzial von 40 Prozent des Bürokratieaufwands.
Von 160 Vorschlägen etwa 60 von umgesetzt
Der Normenkontrollrat hat dazu exemplarisch drei der rund 300 Förderprogramme des Landes untersucht. Zentrale Punkte dabei sind eine verständlichere Sprache, einheitliche Begriffe bei Formularen und Hinweisblättern und auch besseres Informationsmaterial sowie ein besserer Informationszugang. Verbesserungsvorschläge, die auch der Handwerkstag in verschiedenen Bereichen bereits in einem Grundsatzpapier zum Bürokratieabbau gefordert hat.
Rund 160 Vorschläge und Untersuchungen für den Bürokratieabbau hat der Normenkontrollrat seit 2018 vorgelegt, etwa 60 davon wurden umgesetzt.
Koalition will Bürokratiekosten senken
Doch Grüne und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag viel versprochen. Nämlich die Bürokratiekosten deutlich zu senken und eine Innovationsbeschleunigungsinitiative auf den Weg zu bringen. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen Wirtschaft, Bürger und Verwaltung in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro entlastet werden. Schätzungen zeigten ein Potenzial von 200 bis 500 Millionen Euro auf, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch heißt es darin, dass der Normenkontrollrat weiterentwickelt werden soll, insbesondere mit Blick auf eine digitale Transformation der Verwaltung, die Modernisierung des bestehenden Rechts sowie schlanke und verständliche Regelungen.
Deshalb versteht Kretschmann nun auch die Aufregung um die Neubesetzung und Neuaufstellung des Normenkontrollrats nicht. Dieser habe eine gute Arbeit geleistet, doch die Veränderungsvorschläge des Gremiums reichten bei Weitem nicht. Deswegen ändere er nun die Zusammensetzung des Gremiums. Bei der Einsetzung des neuen Normenkontrollrats liegt das Vorschlagsrecht bei den Grünen, für das bestehende Gremium lag dieses bei der CDU. Derzeit führe die Landesregierung Gespräche mit möglichen neuen Mitgliedern eines Normenkontrollrats, der ebenfalls unabhängig sein soll.
Das wäre wichtig, meint Gisela Färber. Die Finanzwissenschaftlerin aus Speyer, die dem bisherigen Gremium angehörte, setzt sich seit den 1980ern für den Bürokratieabbau ein. Erfolg hätten die Bemühungen erst gehabt, als die Gremien unabhängig geworden seien.
Wie muss der Normenkontrollrat aufgestellt sein, um den Bürokratieabbau voranzutreiben?
Der Normenkontrollrat muss mehr Tempo machen, finden Grüne und CDU. Für die SPD ist das Gremium ungeeignet, die AfD sieht dessen Unabhängigkeit gefährdet. Die FDP wirft Kretschmann Untätigkeit vor..
Martin Grath (Grüne): „Die grün-schwarze Koalition wird mit der Taskforce Erneuerbare Energien, dem Arbeitsprogramm Bürokratieabbau und dem Normenkontrollrat einen Schwerpunkt auf den Abbau von Bürokratie legen. Die Mitglieder des Normenkontrollrats haben wertvolle Pionierarbeit geleistet. Mit Ende der Amtszeit werden wir prüfen, wie der Normenkontrollrat künftig aufgestellt wird, um auch in Zukunft Regierungsvorhaben eng auf ihre bürokratischen Auswirkungen zu überprüfen und eigene Vorschläge zur Bürokratieminderung zu erarbeiten.“
Arnulf von Eyb (CDU): „Der Normenkontrollrat hat sehr wertvolle Arbeit geleistet und sich bewährt. Jetzt soll er zu einem echten Tempomacher für mehr Geschwindigkeit werden. Wir wollen die Eigenverantwortung im Land mehr stärken und endlich runter von den überbordeten Regulierungen und Standards, die unser Land fesseln. Der Normenkontrollrat wird uns mit ganz konkreten Vorschlägen, was weg kann, ein gutes Radar sein.“
Boris Weirauch (SPD): „Der Normenkontrollrat ist ein zahnloser Tiger, und das war vonseiten der grün-schwarzen Landesregierung auch immer so gewollt. Kretschmanns Programm zum Bürokratieabbau gleicht bisher insgesamt eher einer Lachnummer. Maßnahmen zur Entschlackung von Verwaltungsverfahren müssen aus den Ministerien selbst kommen, koordiniert und kontrolliert aus dem Staatsministerium, flankiert von Expertise aus der Wirtschaft und gesellschaftlichen Institutionen. Nur dann wird es spürbare Effekte geben können.“
Hans-Ulrich Rülke (FDP): „Der Ministerpräsident will nun seinen Staatskanzleichef als Bürokratieabbaukoordinator weiter stärken. Besser hätte er mal die Vorschläge des Normenkontrollrats umgesetzt – ein gutes Beispiel ist das unnötige Landestariftreuegesetz, welches der Normenkontrollrat bereits 2018 ändern wollte. Herr Kretschmanns Untätigkeit bei dieser Frage soll nun dadurch kaschiert werden, dass der Kontrollrat zum Sündenbock gemacht und einfach aufgelöst wird.“
Bernd Gögel (AfD): „Dass Kretschmann ausgerechnet das Gremium auflösen will, das ihm beim Thema Bürokratieabbau auf die Finger schauen sollte, lässt tief blicken. Die Begründung der Landesregierung ist haarsträubend: Der Normenkontrollrat habe zu viel kritisiert und zu wenige konstruktive Vorschläge geliefert. Es ist die Aufgabe eines solchen Gremiums, Kritik zu äußern. Nun soll der Rat enger mit der Regierung ‚verzahnt‘ werden. Genau das Gegenteil muss der Fall sein: Ein solches Gremium muss unabhängig sein.“