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Betonbauerin Jule Janson: „Wir suchen händeringend nach Azubis“
MÜHLACKER. Als erste Frau überhaupt stand Jule Janson beim Betonbauer-Wettbewerb in Salzburg auf dem Siegertreppchen. Die 22-Jährige ist Betonbauerin aus Leidenschaft – bei den WorldSkills holte sie sich die Silbermedaille. Dass Sie Ihren Beruf liebt, merkt man sofort: „Ich bin gerne an der frischen Luft und man macht nie das gleiche, jeder Tag ist komplett anders. Auch der Baustoff Beton wird immer benötigt. Jedes Haus braucht ihn – es geht einfach nicht ohne“, schwärmt die Mühlackerin. Nicht jeder kann sich so wie Jule Janson für den Handwerksberuf begeistern. Neben den steigenden Energiepreisen und dem Fachkräftemangel als Herausforderungen, fehlt es an Azubis – und diese müssen für den Beruf auch geeignet sein.
Entgegen dem demografischen Trend konnte die Bildungsakademie der Bauwirtschaft Baden-Württemberg die Zahl ihrer Lehrlinge im neuen Ausbildungsjahr erneut leicht steigern. „Ein Plus von zwei Prozent sowohl im ersten Lehrjahr als auch über alle drei Ausbildungsjahre hinweg ist eine erfreuliche Entwicklung und zeigt die Kontinuität der Bauausbildung“, kommentiert Dirk Siegel, Geschäftsführer der Bildungsakademie, die Statistik vom Oktober 2022. Dennoch seien auch in diesem Jahr viele Ausbildungsplätze in den Baubetrieben unbesetzt geblieben.
Vorbehalte gegen „Mädchen auf dem Bau“
Aktuell absolviert Jule Janson ein Bauingenieurstudium an der Hochschule Karlsruhe. Nebenbei arbeitet sie bei M+ F Bau, einer Firma in Mühlacker, die ihr Großvater bereits gegründet hat und den ihre Mutter, Anja Glück-Janson, leitet. Für Jule Janson ist klar, dass sie weiterhin als Betonbauerin arbeiten und auf der Baustelle mit anpacken will. Ein Job am Schreibtisch ist nichts für sie. Diese Gewissheit hatte sie aber nicht immer: „Ich wusste lange nicht, was ich nach der Schule beruflich machen will“, erinnert sie sich. „Zum Abi hin habe ich dann nochmal überlegt und dann beschlossen, dass es ein Beruf auf dem Bau werden soll.“
Bei der Suche nach ihrem Ausbildungsplatz stieß sie dabei auf Vorbehalte gegen Mädchen auf dem Bau. „Dieser Job ist schon anstrengender als andere. Ich denke aber, dass es sich mittlerweile in der Region auch mehr Frauen zutrauen“, sagt Janson. Als Markenbotschafterin von „Das Handwerk“ habe Janson wahrscheinlich für mehr Selbstbewusstsein gesorgt. Ihre zweijährige Ausbildung absolvierte sie dann 2019 in einem Betrieb in Pforzheim.
Insgesamt nimmt sie wahr, dass sich kaum Frauen auf den Beruf der Betonbauerin bewerben. Doch nicht bloß wenige Frauen bewerben sich auf einen Ausbildungsplatz, meint sie. „Wir suchen händeringend nach Azubis. Diese müssen dafür aber auch geeignet sein.“
In den landesweit elf Bildungszentren der baden-württembergischen Bauwirtschaft absolvieren derzeit 2.626 Jugendliche ihre überbetriebliche Bauausbildung. Am stärksten vertreten sind die Maurerlehrlinge (759), gefolgt von den Straßenbauern (570) sowie den Zimmerern (334). Groß ist mit 310 Auszubildenden auch die Gruppe der angehenden Baugeräteführer, berichtet die Bauwirtschaft Baden-Württemberg.
Auf Ausbildungsplätze in ihrer Firma bewerbe sich gefühlt niemand. Und wenn sich jemand bewirbt, sei nicht immer gegeben, dass er auch ausreichend Qualifikationen dafür besitzt, sagt Janson. Beispielsweise würden Ausbildungen aus dem Ausland nicht immer die gleichen Standards erfüllen. Auch fehle es bei den betreffenden Bewerbern oft an guten Deutschkenntnissen. „Praktisch können sie top Arbeit leisten, packen dann aber die Schule nicht.“
Ein weiteres Phänomen: Bewerber tauchen nicht mehr oder gar nicht erst zur Arbeit auf – ohne sich abzumelden. Das „Job Ghosting“ ist also nicht nur in Verwaltungsberufen ein Problem. Auch das Interesse an Praktika würde abnehmen, so Janson. „Dabei sollte man doch erstmal wissen, ob einem der Beruf liegt.“
Janson kann ihrem Beruf nur sehr viel Gutes abgewinnen. „Jedes Haus braucht als Grundstein zumindest mal Beton, es geht nicht ohne. Und man kann mit dem Beton so viele verschiedene Sachen machen, auch außergewöhnliche Formen – da geht es ja teilweise schon Richtung Kunst“, sagt sie. „Wenn man ein Jahr später mal vorbei fährt und sagen kann, das Haus hab ich gebaut, ist das wirklich cool.“