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Räte müssen Einwohneranträge ablehnen, wenn die Begründung fehlt
HEIDELBERG. Mit einem Einwohnerantrag können Bürger einen Gemeinderat dazu „zwingen“, über ein bestimmtes Thema zu debattieren. Das geht aber nur, wenn die Initiative formal alles richtig gemacht hat. Ist das nicht der Fall, dann bleibt dem Gemeinderat nur eine Möglichkeit: nämlich die Ablehnung des Einwohnerantrags. In Heidelberg musste das Gremium genau das nun tun. Der Grund: Mit dem Einwohnerantrag war keine Begründung eingereicht worden (siehe Infokasten unten). Der Gemeinderat erfüllte mit der Ablehnung die rechtlichen Vorgaben der Gemeindeordnung, verhielt sich aber dennoch äußerst klug.
Im September war der Einwohnerantrag von der Initiative „Klimaentscheid Heidelberg“ eingereicht worden. Darin enthalten waren fünf Forderungen und Maßnahmen rund um das Thema Klimaschutz, die von der Stadt Heidelberg umgesetzt werden sollten. Zum einen ging es um die Festlegung, dass sich die Stadt dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden – samt dafür notwendiger Energie- und Verkehrswende.
Fehlende Begründung war entscheidender Fehler
Die Aktivisten wollten dieses Ziel auf einem linearen Pfad – also einer festgelegten Grenze beim möglichen CO2-Ausstoß – erreichen und dabei drittens auf Ausgleichsmaßnahmen im Ausland verzichten. Nach dem Vorbild in anderen Städten sollte ein „Bürger:innen-Rat“ einberufen werden, der Maßnahmen zum Klimaschutz hätte erarbeiten sollen. Und schließlich war fünftens ein Monitoring vorgesehen, um die Entwicklung der CO2-Emissionen transparent zu machen.
Den entscheidenden Fehler, den die Heidelberger „Klimaentscheider“ gemacht hatten, bestand darin, dass sie nicht begründet hatten, warum sie diese Forderungen aufstellen. Das machte eine Zustimmung für den Gemeinderat unmöglich. „Wir begründen diese Forderungen mit der Notwendigkeit für mehr Klimaschutz“ hätte als Begründung ausgereicht, um dem Antrag zustimmen zu können“, findet Edgar Wunder vom Interessenverband „Mehr Demokratie“, der viele Initiativen für Bürgerentscheide oder Einwohneranträge in Baden-Württemberg begleitet, um sie formal auf das richtige Gleis zu setzen.
Hier sei dem Gemeinderat nichts anderes übriggeblieben, als die Zustimmung zu verweigern, stellt Wunder fest. Jedes Verwaltungsgericht hätte das bei einer möglichen Klage gegen die Zulassung des Einwohnerantrags genau so sehen müssen, ergänzt der Bürgerbeteiligungsexperte. Der Vorschlag der Verwaltung zur Ablehnung lautete denn auch ähnlich eindeutig. Es fehle an der notwendigen Begründung. An sie würden zwar keine hohen Anforderungen gestellt, aber sie zähle zum zwingenden Inhalt eines Einwohnerantrags. Aus der Begründung müsse ersichtlich sein, warum eine Diskussion des Antrags im Gemeinderat gefordert werde.
Gemeinderat hat keinen Ermessensspielraum
Auf dem eingereichten Antrag finde sich weder eine Textstelle, die ausdrücklich „Begründung“ genannt werde, noch könne man eine Textstelle als solche auslegen. Lediglich die Forderungen würden erläutert, ohne aber dafür Gründe zu nennen. Dass auf eine Internetseite verwiesen werde, auf der die Punkte erläutert werden, genüge den Anforderungen nicht, weil die Erläuterungen nicht Bestandteil der Unterschriftenliste seien. Das zu erreichende Quorum wäre im Übrigen nicht das Problem gewesen. In Heidelberg wären bei 125 786 Abstimmungsberechtigten ein Anteil von 1,5 Prozent an Unterschriften notwendig gewesen. Das wären 1887 Personen gewesen. Tatsächlich unterschrieben haben 2415 Menschen.
Einen Ermessensspielraum hat ein Gemeinderat bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Einwohnerantrags nicht. Wenn eine der Voraussetzungen nicht erfüllt ist, kann der Gemeinderat einen Antrag mit Verweis darauf, dass er auf eine Begründung verzichte, nicht zulassen. Die Folge in Heidelberg ist, dass die Forderungen des Einwohnerantrags als eigenständiger Tagesordnungspunkt nicht diskutiert werden. Dennoch sind die Inhalte der Aktivisten nicht verloren.
Der Gemeinderat hat nämlich auch beschlossen, die Inhalte außerhalb des Einwohnerantrags in den kommenden Monaten aufzugreifen. So solle das bürgerschaftliche Engagement gewürdigt werden, heißt es in dem Beschlussvorschlag für die Verwaltung.
Bundespolitische Themen sind tabu
Paragraf 20 b der Gemeindeordnung Baden-Württemberg sieht vor, dass ein Einwohnerantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn er nicht hinreichend bestimmt ist und eine Begründung enthält.
Grundsätzlich ist ein solcher Antrag auch nur dann zulässig, wenn es sich beim Inhalt des Antrags um eine Angelegenheit aus dem konkreten Wirkungskreis der jeweiligen Stadt oder Gemeinde handelt. Das bedeutet, dass ein Einwohnerantrag mit bundespolitischen Themen keine Chance auf eine Diskussion im Gemeinderat hätte. Die Frage, ob ein neuer Kindergarten oder eine neue Grundschule gebaut werden soll, hingegen schon.