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Elternzeit bei Bürgermeistern umstritten: Nur 3 Prozent nutzen die Auszeit für ihre Familie
LUDWIGSBURG. Mit dem Titel „Tübinger OB in Elternzeit: Papa Palmer“ berichtete die Stuttgarter Zeitung im Jahr 2010 von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Dieser nahm im September 2010 als erster Oberbürgermeister Deutschlands die Elternzeit in Anspruch. Auch Martin Horn, Oberbürgermeister von Freiburg im Breisgau, entschied sich Anfang des Jahres für eine Elternpause. Den Medienberichten zufolge ist das Thema der Elternzeitnutzung durch Bürgermeister allerdings umstritten. So wurde Martin Horn zum Beispiel vorgeworfen, dass er vor drei Jahren nicht hätte antreten dürfen, wenn er ein Kind bekommen wollte. Boris Palmer habe mit seiner Entscheidung den Wählerwillen verraten. Er selbst ist aber der Ansicht: „Ein guter OB kann auch zwei Monate weg sein. Nur ein schlechter muss jeden Tag hinterherkehren.“
Wie, beziehungsweise ob die Elternzeit von Bürgermeistern in Baden-Württemberg genutzt wird, wurde bisher nicht erforscht. Die Bachelorarbeit beschäftigt sich daher mit diesem Thema, um Aussagen darüber treffen zu können, ob eine Auszeit zum Zwecke der Kinderbetreuung unter Kommunalpolitikern tatsächlich eine Seltenheit ist. Hierfür wurde ein Fragebogen erstellt, welcher an alle direkt von den Bürgern gewählten Bürgermeistern in Baden-Württemberg verschickt wurde.
Knapp 3 Prozent nutzten die Elternzeit
Rund ein Drittel der Bürgermeister in Baden-Württemberg nahm an der Umfrage teil, darunter 12 Prozent Frauen. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass lediglich 3 Prozent der Teilnehmenden die Elternzeit während Ihrer Amtszeit als Bürgermeister nutzten. Die Dauer betrug dabei maximal 8 Wochen. Bei Betrachtung des Geschlechts sind es 7 Prozent der Bürgermeisterinnen und 3 Prozent der Bürgermeister.
Der Großteil der Teilnehmenden ist der Ansicht, dass das Amt des Bürgermeisters mit einer Elternzeit nicht vereinbar ist. Der Amtsinhaber trägt eine zu große Verantwortung, um sein Amt über längere Zeit hinweg zu unterbrechen. Insbesondere Bürgermeister in kleinen Kommunen können es sich nicht vorstellen, ihr Amt für einen längeren Zeitraum auf ihre Mitarbeiter und ehrenamtlichen Stellvertreter zu übertragen.
Lesen Sie mehr zum Thema Bürgermeister in unserer Themenübersicht Bürgermeister.
Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Teilnehmenden ein klares Bild ihrer Rolle als Bürgermeister haben, welches sie auch bei den Bürgern vermuten. Sie sehen ihr Amt als einen 24-Stunden-Job, für den familiäre Einschränkungen hingenommen werden. Sie möchten den Anforderungen Ihres Amtes gerecht werden und vermuten negative berufliche Konsequenzen im Nachgang der Elternzeit. An diesem Punkt könnte an die Forschung angeknüpft und die Meinung der Bürger im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Elternzeit durch ihren Bürgermeister erforscht werden.
Die Geschlechterverteilung im Bürgermeisteramt könnte eine Rolle spielen
Bereits während der Vorbereitungen und Recherchen für die Untersuchung konnte festgestellt werden, dass die Elternzeit durch Bürgermeister bisher selten in Anspruch genommen wird. Dabei ist die Geschlechterverteilung der Amtsinhaber von Bedeutung. Allgemein wird die Elternzeit in Baden-Württemberg hauptsächlich von Frauen genutzt, welche im Bürgermeisteramt in Baden-Württemberg lediglich mit rund 8 Prozent vertreten sind. Daher konnte im Voraus vermutet werden, dass die Anzahl der elternzeitnutzenden Bürgermeister in Baden-Württemberg gering ausfallen wird.
Die Entwicklung der Inanspruchnahme der Elternzeit durch Bürgermeister wird in Zukunft hauptsächlich davon abhängen, wie sich das Bild der Rolle des Bürgermeisters sowohl bei den Amtsträgern selbst als auch bei den Bürgern verändern wird. Die Tatsache, dass die Elternzeit weiterhin größtenteils von Müttern genutzt wird, lässt vermuten, dass auch die Entwicklung des Frauenanteils im Bürgermeisteramt in Zusammenhang mit der Elternzeitnutzung der Kommunalpolitiker stehen kann.
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf die Verwendung von Fußnoten und Verweisen verzichtet.
Die Autorin Lena Jauß kommt aus dem Landkreis Esslingen und hat im Februar 2022 ihr Bachelorstudium Public Management an der Hochschule in Ludwigsburg abgeschlossen. Seit 1. März nimmt sie am Trainee-Programm der Stadt Schorndorf teil.
„Für mich persönlich ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wichtig. Das Studium, beziehungsweise die Arbeit im öffentlichen Dienst bringt diesen Vorteil mit sich“, erzählt sie. „Während meiner Praktika, vor allem in kleineren Gemeinden, stellte ich mir aber die Frage: Wie lässt sich das Bürgermeisteramt mit seinen Verpflichtungen und Terminen auch außerhalb der regulären Arbeitszeit mit dem Familienleben vereinbaren? Ist eine Elternzeit, beziehungsweis. eine längere Abwesenheit in diesem Beruf überhaupt möglich?“ Um diese Fragen zu beantworten, hat sie im Rahmen ihrer Bachelorarbeit die Nutzung der Elternzeit durch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg erhoben und ausgewertet.
E-Mail-Adresse bei Rückfragen: lena.jauss@gmx.de