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FDP kritisiert „erhebliches Qualitätsproblem in der baden-württembergischen Bildungspolitik“
STUTTGART. Auf der Liste sperriger Vorhaben steht das „Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes betr. Neufassung des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens und des Gesetzes betr. Abkommen zur Änderung des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens vom 28. Oktober 1964 (Hamburger Abkommen)“. Es sei, sagt Nadyne Saint-Cast (Grüne) vor der Verabschiedung im Landtag „sperrig, aber notwendig“.
Im Oktober 2020 habe die Kultusministerkonferenz eine neue Ländervereinbarung über die Grundstruktur des Schulwesens beschlossen. Die nachzuvollziehen sei eigentlich ein formaler Akt, aber zugleich Gelegenheit, grundsätzlich auf die Kultushoheit als Herzstück des föderalen Staatsaufbaus zu schauen. Enorm wichtig sei zu schaffen, dass „wirklich jedes Kind unabhängig von seiner Herkunft seine persönlichen Fähigkeiten entfalten kann und dabei auch Spaß am Lernen hat“.
Alexander Becker (CDU) befasste sich unter anderem mit der Frage, wie viel Vielfalt die Schulsysteme in Deutschland haben können und sich trotzdem harmonisch in eine gemeinsame Bildungslandschaft fügen. Er wolle „eine Lanze für den Bildungsföderalismus brechen“, denn der sei kein Relikt vergangener Zeiten, sondern er erlaube es den 16 Ländern, unterschiedliche politische Wege zu beschreiten und die Ergebnisse zu vergleichen. „Ein zentralistisches Bildungssystem für einen Staat mit 11 Millionen Schülerinnen und Schülern wäre mit Sicherheit alles, nur nicht veränderungsfähig“, so Becker. Wer daran Zweifel habe, der möge sich mit Bildungspolitikern auf der französischen Rheinseite unterhalten.
Kein Vorankommen beim Thema Bildungsplattform
Trotz der Pandemie und vieler Versprechungen sei Baden-Württemberg noch immer nicht vorangekommen beim zentralen Thema Bildungsplattform, beklagte Stefan Fulst-Blei (SPD). Es gebe wenige greifbare Fortschritte. Auch im Mai 2022 hätten Lehrkräfte in Baden-Württemberg immer noch keine eigene Dienstmailadresse und immer noch gibt es keinen virtuellen Arbeitsplatz oder etwa Arbeitsforen zur Diskussion und zum gegenseitigen Austausch.
„Grün-Schwarz ist in der aktuellen Schulpolitik doch immer wieder der Versuchung, die Differenzierung im Schulwesen unseres Landes nicht als eine besondere Stärke, sondern eher als eine zu überwindende Schwäche zu sehen“, monierte Timm Kern (FDP). Die Abschaffung des eigenständigen Realschulreferats im Kultusministerium sei „nur ein besonders augenfälliger Baustein im Bemühen, das differenzierte Schulsystem Stück für Stück zu überwinden“. Und weiter: „Nach elf Jahren grün geführter Landesregierungen haben wir ein erhebliches Qualitätsproblem in der baden-württembergischen Bildungspolitik.“ Die AfD stellte sich gegen den Gesetzentwurf, denn er atme, sagte Rainer Balzer, „wie vieles auf der Welt, lediglich den aktuellen Zeitgeist, ohne Geist zu besitzen, und er hat das Wesentliche nicht mehr im Blick“.
Für den Bildungsföderalismus
Eine Einschätzung, der die Staatssekretärin im Kultusministerium Sandra Boser (Grüne) vehement widersprach. Mit dem Gesetz werde für den Bildungsföderalismus eingetreten. Gerade in der Coronapandemie habe sich doch gezeigt, „wie wichtig es war, dass die Länder die Möglichkeit hatten, eigene Regelungen zu treffen, dass wir gerade in einem Flächenland wie Baden-Württemberg auch heruntergebrochen auf Stadt- und Landkreise Regelungen vornehmen konnten“. Der Föderalismus sei „grundsätzlich der richtige Weg im Bereich der Bildungspolitik, und den werden wir auch konsequent weitergehen“.
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer