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Paragraf 219a: Opposition im Landtag beklagt Kriminalisierung von Ärzten
STUTTGART. 13 Praxen führen in Baden-Württemberg Schwangerschaftsabbrüche durch, wie die Dorothea Kliche-Behnke (SPD) aus einer Liste der Bundesärztekammer zitiert. „Südlich von meiner Heimatstadt sind es genau zwei“, so die Abgeordnete in der von ihrer Fraktion beantragten Debatte zur Streichung des Paragraphen 219a aus dem Strafgesetzbuch durch die neue Ampelkoalition in Berlin. Für die Grünen verband auch Stefanie Seemann die Aussprache zur Aufhebung des Werbeverbots mit der Forderung, das Thema Schwangerschaftsabbrüche insgesamt zu enttabuisieren. „Wir begrüßen das Vorhaben der Bundesregierung“, so Seemann, während Isabell Huber (CDU) „eine seltsame Verschiebung des Weltbilds beklagte“ und wie das komplexe Thema Schwangerschaftsabbruch ausschließlich aus der Perspektive der Frau betrachtet werde.
Im Koalitionsvertrag hatte sich die Landesregierung dazu bekannt, dass ungewollt Schwangere „schnelle, fachliche Information und Beratung zur operativen und medikamentösen Abbrüche benötigen“. In der Aktuellen Debatte machte Huber dagegen die Skepsis ihrer Fraktion deutlich: „Für uns ist von zentraler Bedeutung, dass die Beratung nicht in ihrer Funktion geschwächt wird, weil sie dazu dient, der Schwangeren Unterstützungsangebote aufzuzeigen.“ Es handele sich bei einem Abbruch „nicht um einen normalen medizinischen Eingriff, denn er zieht nach sich, „dass ein ungeborenes Leben beendet wird“. Die CDU-Generalsekretärin machte auch deutlich, dass es in ihren Augen auch auf Basis der vorhandenen gesetzlichen Regelungen genügend Informationsmöglichkeiten gebe: „Da hilft Googeln, liebe Frau Dr. Kliche-Behnke.“
Rechtssicherheit für Ärzte
Rednerinnen von SPD, Grünen und FDP beklagten die Kriminalisierung jener Ärzte, die Frauen über die Art des Abbruchs informieren wollten. „Es geht doch nicht darum, den Schutz des ungeborenen Lebens in Frage zu stellen“, sagte Seemann, „denn keine schwangere Frau entscheidet sich mal so für einen Abbruch, weil sie im Internet von einem tollen Angebot gelesen hat. Vielmehr gehe es darum, Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, die Frauen unterstützen“, sagte die Grüne, die auch eine Rehabilitation der bereits auf Basis des 291a verurteilten Mediziner forderte. „In ganz Baden-Württemberg gab es 2021 gerade einmal 61 Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen“, erklärte auch Klinke-Behnke, „61 Ärztinnen und Ärzte für immerhin fast 5,6 Millionen Frauen.“
Alena Trauschel (FDP) erinnerte an das „Paradoxon“ der bisherigen Gesetzeslage. Die sachliche Information über einen Schwangerschaftsabbruch sei strafbar, während der Schwangerschaftsabbruch selbst nicht unter Strafe steht. „Das muss aufgelöst werden“, so die Ettlinger Abgeordnete. Seit Jahren fänden vor vielen Beratungsstellen Demonstrationen und Mahnwachen von Abtreibungsgegnern statt. Hier würden ganz akut ratsuchende Frauen verängstigt, „und das vor den Augen des Innenministeriums Baden-Württemberg, das sich dank seiner konservativen Hausspitze vor einem Einschreiten wegduckt“.
Leidig will sich nicht zur Abschaffung äußern
Im Jahr 2020 seien in Baden-Württemberg nach den Angaben des Statistischen Bundesamts 108.024 Kinder geboren worden, so Carola Wolle (AfD). Im gleichen Zeitraum hätten 10.208 Frauen ihre Schwangerschaft abgebrochen, das seien 8,6 Prozent: „Wir sollten uns daher darüber Gedanken machen, warum sich so viele Frauen gegen das ungeborene Leben entscheiden.“
Die Staatssekretärin im Sozialministerium Ute Leidig (Grüne) verwies auf eine Umfrage ihres Hauses, nach der 22 Praxen in Baden-Württemberg „auf der Kippe stehen, so nenne ich es jetzt mal und davon sieben sagen, dass sie aufgrund der Rechtslage eine Unsicherheit sehen und keine Abbrüche mehr vornehmen“. Konkret zur Haltung der Landesregierung zur Abschaffung des Paragraphen 219a wollte sie sich nicht äußern: „Zu dieser Frage werden wir uns äußern, wenn die Entscheidung im Bundesrat ansteht.“
Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer