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Weihnachten im Justizvollzug: Zwischen Einsamkeit und festlicher Atmosphäre
Stuttgart. „Die Weihnachtszeit ist für den Vollzug eine andere Zeit“, sagt Michael Schwarz. „Es gibt viel mehr Emotionen, die wir auffangen müssen.“ Schwarz ist Landesvorsitzender des Bunds der Strafvollzugsbediensteten in Baden-Württemberg. Was für die Häftlinge gilt, gilt ebenso für die Justizvollzugsbeamten, die an den Feiertagen Dienst haben: Auch sie sind emotionaler, denn es gehe trotz allem darum, „ein wenig das weihnachtliche Flair und die weihnachtliche Botschaft zu leben“.
„Als Vollzugsanstalt wollen wir den Gefangenen ein Weihnachtsgefühl vermitteln“, erklärt auch Andreas Vesenmaier, leitender Regierungsdirektor und Anstaltsleiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn. „Denn die Weihnachtszeit wird von den Häftlingen als belastend erfahren – weil sie oft Weihnachten in guter Erinnerung haben.“
Die Gefangenen backen Plätzchen und schmücken Weihnachtsbäume
In diesem Jahr kommt hinzu, dass die Feiertage mitten in der Woche liegen. Was Arbeitnehmer freut, ist für die Inhaftierten eine weitere Herausforderung, weil die Arbeitsstätten geschlossen sind. Das heißt: Die Zellentüren öffnen sich seltener.
„Aber wir haben spezielle Weihnachtsangebote“, sagt Vesenmaier. Es finden Weihnachtsgottesdienste statt, der Gefangenenchor singt und es gibt über die Feiertage spezielle Besuchsangebote. „Ganzjährig gibt es ehrenamtliche Gruppenangebote, auch da finden in der Advents- und Weihnachtszeit dann kleinere Feiern statt, zu denen Essen von außen mitgebracht werden kann.“ Außerdem würden kleine Geschenke gepackt – ein Schreibblock, Süßigkeiten oder ein LED-Licht – über die sich die Gefangenen freuen. „Das, was unter Sicherheitsaspekten möglich und zulässig ist, versuchen wir möglich zu machen“, sagt er.
Auch die Gefangenen selbst tragen etwas bei: Es werden Plätzchen gebacken – die auf dem Weihnachtsmarkt verkauft werden -, oder sie legen Hand an, wenn Weihnachtsbäume im Gefängnis geschmückt werden. „Wer sich beteiligen möchte, ist eingeladen“, so Vesenmaier – über alle Glaubensrichtungen hinweg.
„Wir sind mit einer dünnen Personaldecke ausgestattet
Aufgrund von Baumaßnahmen gibt es in der JVA Heilbronn, die auf 330 Haftplätze ausgelegt ist, etwa 230 bis 240 Haftplätze. Es ist eine Langstrafenanstalt, in der Häftlinge leben, die Haftstrafen ab 15 Monaten bis lebenslänglich verbüßen. Die JVA beschäftigt 240 Mitarbeitende, es gibt 145 Planstellen im Vollzugsdienst. In den 17 JVA in Baden-Württemberg, den 18 Außenstellen und weiteren Einrichtungen waren zum 1. Januar 2024 rund 4350 Menschen beschäftigt, davon 2964 im Vollzugsdienst im Justizvollzug.
Doch trotz des Stellenaufwuchses der vergangenen Jahre stellt Gewerkschafter Schwarz fest: „Wir sind mit einer dünnen Personaldecke ausgestattet und nach wie vor Schlusslicht bundesweit, was das Verhältnis Personal – Gefangene betrifft.“
An den Feiertagen verschieben sich die Rahmenbedinungen“
Gerade an den Feiertagen wird das deutlich. Anstaltsseelsorger oder Fachdienste sind nur eingeschränkt da, aufgefangen wird dies von den – ebenfalls reduzierten – Vollzugsbeamten. „Die Rahmenbedingungen verschieben sich an den Feiertagen“, sagt Schwarz, „Es ist viel mehr Aufwand, viel mehr Umschluss, wenn Gefangene sich gegenseitig besuchen, um nicht allein zu sein, es gibt mehr Gottesdienste, mehr Freizeitangebote.“ Trotz dieser Angebote sind die Häftlinge viel in ihrer Zelle.
„Da kommen ganz viele Gedanken auf bei den Gefangenen“, sagt Schwarz. Sein Anspruch und der seiner Kollegen ist in einer solchen Situation: „mit dem Häftling durch die Klappe zu reden, für ihn da zu sein, ihm zuzuhören“. Zwei bis drei Leute mehr im Dienst wären gut, denn „das Personal ist das A und O“, meint Schwarz. Gibt es Akutsituationen, ist für solche Gespräche keine Zeit.
Weihnachten im Gefängnis kann traurig machen, manchen macht es aber auch friedlich. „Uns geht es darum, den Gefangenen das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht von der Gesellschaft abgeschnitten sind“, sagt Anstaltsleiter Vesenmaier. „Aber natürlich können wir keine Familie ersetzen“, sagt er weiter.
Gut 5100 Menschen in Baden-Württemberg inhaftiert
Laut Zahlen des Statistischen Landesamts, die auf der Strafvollzugsstatistik beruhen, waren zum Stichtag 31. März 2024 im Land 5106 Menschen inhaftiert. Davon waren 1053 zu einer Haftstrafe von ein bis zwei Jahren verurteilt, 1250 zu zwei bis fünf Jahren, 327 zu fünf bis zehn Jahren und 54 zu zehn bis 15 Jahren. 220 Häftlinge sitzen eine lebenslange Freiheitsstrafe ab. Neben den 4855 Männern waren 251 Frauen inhaftiert.
2706 Inhaftierte haben die deutsche Staatsangehörigkeit. 2400 sind laut den Statistikern Nichtdeutsche.