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Vertragsstrafen müssen vom Auftraggeber angemessen gestaltet werden
Karlsruhe. Vertragsstrafen für Auftragnehmer sind üblicherweise fester Bestandteil von öffentlichen Ausschreibungen im Baubereich. Über Vertragsstrafen werden die Folgen geregelt, wenn Unternehmen beispielsweise nicht rechtzeitig fertig werden mit einem Auftrag. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun in einem Urteil entschieden, dass solche Vertragsstrafen bei öffentlichen Aufträgen generell möglich sind. Das Ausmaß darf aber einen gewissen Umfang nicht übersteigen. Ansonsten werde ein Auftragnehmer unangemessen benachteiligt.
Rechtsstreit um Glasfaseranschlüsse
In dem Fall (Aktenzeichen VII ZR 42/22) ging es um den Anschluss von knapp 1600 Haushalten an ein Glasfasernetz. Innerhalb eines festgelegten Zeitraums sollte die Maßnahme taggenau oder schneller abgeschlossen sein. In den Vertragsbedingungen, die Teil der Ausschreibungsunterlagen waren, hatte der Auftraggeber vorgegeben, für jeden Tag, den das Unternehmen länger braucht, werde eine Vertragsstrafe von 0,2 Prozent der genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer erhoben. Gleichzeitig wurde die Höhe der Vertragsstrafe auf maximal fünf Prozent dieser Summe begrenzt. Der Auftragswert betrug 5,1 Millionen Euro.
Während des Verfahrens hatte der Auftragnehmer diese Vorgaben für die Vertragsstrafe nicht angesprochen. Als später aber tatsächlich eine Vertragsstrafe verhängt wurde, landete der Fall vor Gericht – zunächst vor dem Landgericht München, dann vor dem Oberlandesgericht der bayerischen Hauptstadt und schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Strittig war, ob die Vertragsstrafe, die in den Vertragsbedingungen formuliert worden war, den rechtlichen Vorgaben des Vergaberechts und des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechen.
Bezugsgröße für die Höhe der Strafe rechtlich strittig
Denn üblicherweise werden in öffentlichen Ausschreibungen sogenannte Einheitspreisverträge geschlossen. Das bedeutet, dass am Ende nicht die zuvor durch den Auftraggeber errechnete Netto-Auftragssumme zählt. Maßgeblich ist vielmehr der tatsächlich an den Auftragnehmer zu zahlende Betrag nach Abschluss der Maßnahme.
Die bloße Verwendung des Begriffs „Auftragssumme“ deutet aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf die Netto-Auftragssumme hin. Dies hätte aber mit Bezug zur tatsächlich zu zahlenden Summe gleichzeitig bedeutet, dass die Vertragsstrafe über die vereinbarten fünf Prozent gestiegen wäre.
Dies sei für das Unternehmen unangemessen hoch und daher unwirksam, urteilen die Karlsruher Richter. Maßgeblich ist dafür in diesem Fall der Paragraf 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der BGH betont durchaus, dass der Begriff der „Auftragssumme“ grundsätzlich unterschiedlich gedeutet werden könne. Darunter könne man einerseits die nach der Abwicklung des Vertrags geschuldete Vergütung verstehen. Andererseits aber auch denjenigen Wert, der sich am von den beiden Parteien vor Ausführung des Vertrags vereinbarten Betrag bemisst, so die Richter.
Gang vor Gericht auch ohne vorherige Nachprüfung möglich
Der Auftraggeber hatte im Auftragsschreiben klargemacht, dass er als Bezugsgröße die Netto-Auftragssumme sieht, also den Betrag, der vor der Ausführung vereinbart wurde. Genau das aber führt in diesem Fall zur Unwirksamkeit des Vertrags.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Auftraggeber hier missbräuchlich versucht habe, über eine einseitige Vertragsgestaltung eigene Interessen auf Kosten des Auftragnehmers durchzusetzen – ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Dennoch sehen die Bundesrichter die Vertragsstrafe als probates Mittel an, um einen „Auftragnehmer zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner Leistungen anzuhalten“. Gleichzeitig solle sie den Auftraggeber jedenfalls bis zur Höhe der Vertragsstrafe in die Lage versetzen, sich schadlos zu halten.
Grundsätzlich kein Problem war für die Richter in Karlsruhe, dass die strittige Vertragsstrafe nicht zunächst zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer gemacht worden war. Der BGH selbst hatte im Jahr 2019 in zwei Verfahren entschieden, dass zivilrechtliche Ansprüche auch ohne vorheriges Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden können.
Rechtliche Grundlage für das Urteil
Vertragsbestimmungen sind gemäß Paragraf 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unwirksam, wenn sie einen Vertragspartner „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Dies könne sich auch ergeben, wenn Bestimmungen nicht klar und verständlich seien. Eine in der Gesamtschau sehr hohe Vertragsstrafe kann bei Gerichten zu der Sichtweise führen, dass sie zu einer solchen unangemessenen Benachteiligung führt.